Emmanuel Macron sah sich als Sieger des Brüsseler EU-Gipfels. Sichtlich zufrieden erklärte der französische Präsident, dass die Staats- und Regierungschefs bei der Suche nach dem nächsten EU-Kommissionspräsidenten am Donnerstag und Freitag »die Namen der drei Spitzenkandidaten verworfen« hätten. Macron will verhindern, dass EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber den Posten erhält. Nach der Aussage von Macron wären auch der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans und die dänische liberale EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager aus dem Rennen. EU-Ratspräsident Donald Tusk schloss sich Macrons Haltung an und Angela Merkel, die bislang die wichtigste Unterstützerin von Weber war, sagte, sie nehme Tusks Bewertung ernst, »dass keiner der Spitzenkandidaten eine Mehrheit im Europäischen Rat hat«. Die Kanzlerin sah »im Augenblick nicht, dass sich an dieser Feststellung etwas ändern kann«.
Es dürfte nicht leicht werden, einen Kompromisskandidaten zu finden. Denn die Staats- und Regierungschefs haben zwar ein Vorschlagsrecht, aber letztlich muss die Personalie vom EU-Parlament bestätigt werden. Die informelle Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten hat auf EU-Ebene nach der Wahl im Mai keine Mehrheit mehr. Deswegen wollen die beiden Fraktionen die Grünen und die Liberalen mit ins Boot holen. Je mehr Fraktionen beteiligt sind, desto schwieriger wird es, zu einer Einigung zu kommen. Hinzu kommt, dass diverse Fraktionen im EU-Parlament bereits erklärt haben, nur einen der Spitzenkandidaten zum Vorsitzenden der Kommission wählen zu wollen.
Die Personalfragen sollen auf einem Sondergipfel am 30. Juni geklärt werden. Es geht neben der Nachfolge von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker auch um den künftigen Präsidenten des Europäischen Rats, des Europaparlaments, der Europäischen Zentralbank und den Posten der EU-Außenbeauftragten. Das EU-Parlament kommt am 2. Juli erstmals zusammen.
Macron und einige seiner EU-Amtskollegen meinen, dass der CSU-Mann Weber als EVP-Fraktionschef zu wenig Erfahrung mitbringe. Auch inhaltlich lagen Macron und die deutschen Konservativen zuweilen weit auseinander. Während Macron sich in Aufrüstung- und Asylfragen mit der Bundesregierung oft einig ist, gibt es Konflikte in der Haushaltspolitik. Der Franzose hatte einen europäischen Finanzminister und einen Haushalt für die Eurozone gefordert, der auf längere Sicht mit Steuereinnahmen finanziert werden könnte. Macron wollte somit die Eurozone vor der Ausbreitung von Krisen schützen. Die Finanzminister hatten sich aber kürzlich nur auf eine reduzierte Variante des Budgets verständigt. Es soll innerhalb des EU-Haushalts angesiedelt werden und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Angleichung der wirtschaftlichen Verhältnisse dienen - nicht aber als Geldtopf, der in Krisenzeiten angezapft werden könnte.
Auch in der Klimapolitik kommt die EU nur langsam voran. In der Gipfelerklärung hieß es, dass Fachminister und EU-Kommission daran arbeiten sollten, einen »Übergang zu einer klimaneutralen EU im Einklang mit dem Übereinkommen von Paris zu bewerkstelligen«. In einem Entwurf war die Frist 2050 genannt worden. In der Endfassung wurde stattdessen eine Fußnote eingefügt, wonach diese »für eine große Mehrheit der Mitgliedstaaten« gelte. Klimaneutralität bedeutet nicht, dass es in den Staaten keine Emissionen mehr geben darf. Sie müssten aber durch andere Maßnahmen ausgeglichen werden. Unter anderem Polen, Tschechien und Ungarn stellten sich gegen die Frist. Vor allem Polen hat einen hohen Anteil an Kohlestrom.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1121454.eu-gipfel-widerstand-gegen-weber.html