nd-aktuell.de / 10.08.2019 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 27

Abo-Kiste und mobile Hühnerhaltung

Brandenburgs Öko-Landbau wächst, die Erzeuger wollen raus aus der Nische. Von Tomas Morgenstern

Tomas Morgenstern

Die grünen Abo-Kisten, vollgepackt mit frischem Obst und Gemüse, Kartoffeln, würzigem Käse und Fruchtsaft in Glasflaschen, bringt der Lieferservice gerade in Berliner Innenstadtbezirken zu vielen Haushalten, und zwar direkt bis vor die Wohnungstür. Sie kommen aus der Schorfheide, von der Ökodorf Brodowin GmbH, einem der ältesten Erzeuger von Bio-Produkten im Land Brandenburg. Für die Qualität bürgt die Eigenmarke »Ökodorf Brodowin« mit dem »Demeter«-Logo.

Aus Sicht der brandenburgischen Landesregierung ist der ökologische Landbau eine Erfolgsgeschichte. Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) scheint entschlossen, diesen Erfolg auszubauen. »Mit einem Flächenanteil von aktuell 12,3 Prozent beim Ökolandbau zählt Brandenburg bundesweit zur Spitze«, sagte er bei einer Fahrt zu Bio-Produzenten in Ostbrandenburg. »Bis 2030 wollen wir diesen Anteil auf 20 Prozent erhöhen.« Die Wachstumsprognosen des Ministeriums gingen davon aus, dass das möglich sei, denn in den kommenden Jahren werde die Nachfrage für regionale Bio-Produkte weiter steigen.

Im Mai hatte das Agrarministerium in Potsdam in seinem Maßnahmeprogramm zur Unterstützung der ökologischen Produktion Wege zur Unterstützung einer besseren Markterschließung für regionale Bio-Produkte aufzeigt. Vogelsänger erläutert jetzt: »Ziel ist insbesondere, den Anteil an ökologischen Frischeprodukten, zum Beispiel Obst, Gemüse und Fleisch sowie Produkten der ersten und zweiten Verarbeitungsstufe, zu erhöhen.« Die vorgeschlagenen Maßnahmen umfassen alle Förderbereiche, die für Bio-Betriebe verfügbar sind, etwa die Öko-Förderung, die Europäische Innovationspartnerschaft oder die Absatzförderung und Diversifizierung.

Rund 50 Mitarbeiter beschäftigt das Ökodorf Brodowin in seiner Betriebsstätte in Eberswalde (Barnim), einer Station der Minister-Visite. Hier geht es um Verarbeitung und Vertrieb. Täglich bestücken hier Frauen gut 400 Lieferkisten mit frischen Produkten aus dem ökologischen Landbau der Region. Die Arbeit am Fließband verlangt Konzentration, denn jede einzelne Plastikbox wird individuell nach Kundenwunsch befüllt. Katrin Beuster aus Brodowin, die seit zehn Jahren beim Ökodorf arbeitet, hat den Bogen raus: Zwei Knollen Fenchel, Äpfel und Birnen, eine Packung Nudeln sortiert sie in die Kiste, die Molkereiprodukte packt eine Kollegen dazu.

»Wir beliefern jetzt mehr als 2000 Einzelhaushalte pro Woche, mit deutlich steigender Tendenz«, sagt Ludolf von Maltzan, seit 2006 Geschäftsführer des Ökodorfs. Seit dem Ferienende seien schon 200 weitere Haushalte dazugekommen, viel mehr als nach dem Sommer 2018. Für ihn ist das vor allem Ausdruck einer veränderten Lebensweise und der wachsenden Akzeptanz für ökologisch produzierte regionale Lebensmittel.

Den Standort Eberswalde gibt es seit vier Jahren, er erwirtschaftet einen Umsatz von rund fünf Millionen Euro. Inzwischen steht seine Erweiterung an, es geht es vor allem um eine eigene Verarbeitungsküche. Der Chef hofft auf Förderung vom Land, aber auch darauf, dass dort mehr Öffentlichkeit für den Ökolandbau geschaffen wird. Das Ökodorf Brodowin mit seinen 150 festen Mitarbeitern sei längst kein kleiner Betrieb mehr. Das Unternehmen verfügt über 1363 Hektar Ackerfläche, auf 20 Hektar wird Gemüse angebaut. In eigener Tierhaltung stehen zum Beispiel 133 Rinder, 45 Kälber, 231 Milchkühe, 330 Ziegen, 1529 Legehennen und 450 Masthähnchen. Tiere werden hier vollständig verarbeitet. In traditionellen »Weck«-Gläsern etwa werden auch zahlreiche Fleischgerichte eingekocht. 300 Artikel laufen unter der Marke »Ökodorf Brodowin«, beliefert werden damit vor allem der Bio-Fruchthandel, der Lebensmitteleinzelhandel sowie ausschließlich inhabergeführte Filialen von Edeka und Rewe. Der Online-Shop führt 100 eigene sowie Produkte anderer regionaler Anbieter.

»Wir wollen regionale Kreisläufe und möchten nicht, dass unsere Produkte weit weg verkauft werden«, so von Maltzan. Rund 90 Prozent seiner Produkte gehen nach Berlin, ein Teil nach Potsdam, Königs Wusterhausen, in den Barnim und die Uckermark.

In Chorin (Barnim), beim Landgut Geelhaar, wird im Nebenerwerb gewirtschaftet. Es ist seit Mai 2016 Mitglied im Bioland Verband Ost. »Als Direktvermarkter setzen wir auf tagesfrische, regionale Produkte aus eigenem Anbau und mit unverwechselbarem Geschmack«, erklärt Inhaber Sven Geelhaar. Der 44-Jährige kommt aus der Region, hat in Heilbronn Winzer gelernt und heute einen freien Beraterjob. Den Agrarbetrieb mit 130 Hektar im Dorf und seiner Umgebung betreibt er mit seiner Frau, darunter Land, das schon seine Großeltern bewirtschafteten. Beliebte Produkte sind Freilanderdbeeren, etliche Sorten von Kartoffeln - und Eier. Bis zu 30 000 Eier legen die Hennen, die er in mobilen Hühnerställen hält, pro Monat. Fünf dieser mobilen Ställe für je 225 Legehennen, die regelmäßig alle zwei Wochen auf eine andere seiner Futterflächen umgesetzt werden, hat er angeschafft. Dazu einen Hofautomaten, an dem man frische Saisonware und Eier für bare Münze erwerben kann. Geelhaar ist ungeduldig. Er will expandieren, raus aus der Direktvermarkter-Nische. Es fehlt Kapital, und eine Förderung ist ungewiss. Die Lösung könnte das Bürger-Aktien-Modell der »Regionalwert AG« sein, eine Art Crowdfunding zur Beschaffung von Eigenkapital, das die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg aber erst vorbereitet.