Eingriff in die Pressefreiheit

Das Verbot des linken Medienportals «Indymedia linksunten» wird 2020 gerichtlich geprüft

Am 14. August 2017 hat das Bundesinnenministerium das Verbot der Medienplattform «Indymedia linksunten» verfügt und elf Tage später bekannt gegeben - zeitgleich fanden in Freiburg Razzien in einem linken Zentrum und bei vermeintlichen Betreibern der Internetseite statt. Die Betroffenen wurden von den Behörden förmlich als Mitglieder eines Vereins eingestuft, um mithilfe des Vereinsgesetzes gegen das linke Projekt vorgehen zu können. Aber das Verbot ist bis heute noch nicht bestandskräftig, weil die Beschuldigten dagegen Klage eingereicht haben.

Inzwischen hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig das Verfahren übernommen, der mittlerweile auch für das Sachgebiet des Vereinsrechts zuständig ist. Aber konkrete Verhandlungstermine sind noch nicht festgelegt. «Der 6. Senat bereitet die sehr komplexe Sache derzeit vor und strebt eine Terminierung im ersten Quartal des Jahres 2020 an», so die Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts gegenüber «nd».

Die Rechtsanwältin Kristin Pietrzyk hat die Klage gegen das Verbot eingereicht: «Insbesondere wird vonseiten der Kläger thematisiert werden, dass das Bundesministerium des Innern mit den Mitteln des Vereinsrechts gegen eine Open-Posting-Plattform vorgegangen ist, die vollumfänglich dem Schutz der Pressefreiheit unterfällt und hierzu keinerlei Abwägung vorgenommen wurde. Gleichzeitig sind wir der Meinung, dass auch die vom Vereinsgesetz normierten Verbotsgründe nicht vorliegen», erklärt sie gegenüber «nd». Das Bundesverwaltungsgericht muss also den schweren Eingriff in die Presse- und Meinungsfreiheit eingehend prüfen. Das «komplexe» Gerichtsverfahren wird insofern auch zeigen, wie es um den Schutz der Presse in Deutschland bestellt ist.

«Indymedia linksunten» ging Anfang 2009 online. «neues deutschland» hat damals die Entstehung des neuen Presseorgans interessiert verfolgt. Autoren des «nd» haben sich mit Beteiligten getroffen und darüber in unserer Tageszeitung berichtet. Als bewegungsnahe Redakteure wollten wir wissen, wie Kolleginnen und Kollegen versuchen, Autoren und Leser für ein neues linkes Medium zu gewinnen. Und das gelang «Indymedia linksunten» sehr gut. Die Plattform entwickelte sich zu einem der wichtigsten Medien und Diskussionsforen für die linke Bewegung in der Bundesrepublik. Insbesondere der AfD war sie ein Dorn im Auge, weil dort wiederholt AfD-Internas geleakt wurden. Größte Aufmerksamkeit erlangte «Indymedia linksunten» in der Zeit um den G20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg. Strömungsübergreifend und differenziert wurde um Formen des Protests gegen das Treffen der 20 mächtigsten Staatschefs diskutiert. Damit geriet die Plattform verstärkt ins Visier der Repressionsorgane.

«Die Ereignisse in Hamburg haben nochmals ein Ausmaß an linksextremistischer Gewalt bestätigt, dem der Staat nicht tatenlos zusehen konnte», hieß es aus dem Innenministerium. ›linksunten.indymedia‹ hat im Hinblick auf die Mobilisierung zu einem nicht unerheblichen Maße dazu beigetragen. Das Verbot der zentralen linksextremistischen Kommunikationsplattform war deshalb unabdingbar.« Folgt man der Verbotsbegründung, werden jedoch schon eine Meinungsäußerung und das Erklären der Ursachen von Gewalt zu Straftaten deklariert.

Einen Tag nach den Razzien in Freiburg erschien auf der nunmehr offiziell verbotenen Indymedia-Seite die »Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace« des US-amerikanischen Bürgerrechtlers John Perry Barlow aus dem Jahr 1996: »Der Cyberspace liegt nicht innerhalb Eurer Hoheitsgebiete. Glaubt nicht, Ihr könntet ihn gestalten, als wäre er ein öffentliches Projekt. Ihr könnt es nicht. Der Cyberspace ist ein natürliches Gebilde und wächst durch unsere kollektiven Handlungen.«

Aber der von Indymedia vorangestellte Hinweis: »Wir sind bald wieder zurück ...« hat sich nicht bewahrheitet. Dabei ist eine Internetseite eigentlich nicht zu verbieten, wie vergangene Fälle zeigen. Mit massenhafter Spiegelung wehren sich Internetaktivisten gegen staatliche Eingriffe: Sie machen eine Löschung unmöglich, indem sie die inkriminierte Seite hundertfach ins Internet stellen. Aber dazu ist es bei »Indymedia linksunten« nicht gekommen. So wurde zwar eine weitere strafrechtliche Verfolgung verhindert, aber womöglich auch größere Solidarität.

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