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Musik statt Krieg

  • Olaf Präger
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Kleinen Mädchen«, »Der Spieler«, »Ich beobachte Dich«, »Bring mir die Sonne« oder »Mama« - wer alt genug ist, dem sind diese Lieder noch ein Begriff. Mit ihnen tourte die Gruppe Jessica durch die späte DDR und wurde prompt zur beliebtesten Newcomerband des Landes gekürt. Die fünf jungen Männer, alle knapp über 20, spielten auch in allen damaligen Bruderstaaten und wurden eine richtig große Nummer. Leadsänger war Tino Eisbrenner, dessen Stimme der Band einen charakteristischen Sound verlieh.

Doch irgendwann war Schluss mit Jessica. Nicht freiwillig. Eisbrenner hatte einen eigenen Kopf und genug Selbstbewusstsein, ihn auch zu benutzen, was bei den DDR-Kulturfunktionären für Unmut sorgte. Als würden sie eine Strichliste der Verfehlungen führen, um sie eines Tages der Band wie eine Rechnung vorzuhalten. Einer der dickeren Striche entstand wohl bei der Weigerung von Jessica, für das Festival »Rock für den Frieden« einen Auftragstitel zu schreiben. Als zwei der Bandmitglieder schließlich zur NVA einberufen wurden, bedeutete es das Ende von Jessica. Das war 1986. Eisbrenner begann eine Solokarriere.

Nach dem Ende der DDR kam ihm nicht nur das Land, sondern auch erst einmal das Publikum abhanden. Es zog ihn zu einem Leben unter Indianern. Vielleicht war das indianisch-philosophische Denken, erlernt in Mexiko, Guatemala und Chile, der Grund dafür, dass er sich später verstärkt Bertolt Brecht zuwandte, Weltmusikprojekte stemmte, Kulturmanager wurde, Konzertreisen unternahm und Bücher schrieb.

2003 sang er wie auch Reinhard Mey, Hannes Wader und Konstantin Wecker vor einer halben Million Menschen, die in Berlin gegen den Irak-Krieg demon᠆strierten. Krieg und Frieden ist überhaupt ein Thema, an dem sich Eisbrenner unentwegt reibt. In seinem jüngsten Buch, »Das Lied vom Frieden«, erschienen im Nora-Verlag, tritt Eisbrenner für die Verständigung zwischen Westeuropa und Russland ein und kritisiert die scheinbar unaufhaltsame NATO-Osterweiterung. Er fragt: »Wie sollte ein Land, das noch immer das Trauma des letzten Weltkrieges zu verarbeiten sucht, auf diese Würgeschlangentaktik reagieren?«

Man sieht Eisbrenner auch auf der Bühne bei Gedenkveranstaltungen zur Befreiung vom Faschismus, beispielsweise am 8. Mai im Treptower Park in Berlin; auch bei den Gedenkveranstaltungen zur Bücherverbrennung der Nazis am 10. Mai ist er Stammgast als Sänger und Rezitator. 2001 erwarb Eisbrenner einen alten Bauernhof nahe Neubrandenburg, den er zum Vier-Winde-Hof ausbaute. Dort findet seit 2002 jährlich im August das Hoffest »Musik statt Krieg« statt. So auch an diesem Sonnabend. Es gibt Konzerte mit Rock, Soul, Weltmusik und Eisbrenner selbst. Am Dienstag, den 20. September, ist er dann mit seinem neuen Buch in der Reihe »geDRUCKtes« zu Gast bei Gesine Lötzsch im Karl-Liebknecht-Haus in Berlin.

Festival »Musik statt Krieg«, am 17.8. auf dem Vier-Winde-Hof, Plath 8, Lindetal.

Buch: Das Lied vom Frieden>>

Tino Eisbrenner bei »geDRUCKtes« am 20.8., 18 Uhr im Karl-Liebknecht-Haus, Rosa-Luxemburg-Saal, Kleine Alexanderstraße 28, Berlin.

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