Florian Kohfeldt scheint ein mutiger Mann zu sein. Vielleicht auch nur einer, der auffallen will. Denn als der Trainer des Fußball-Bundesligisten Werder Bremen jüngst wie all seine Kollegen gefragt wurde, wer denn Meister wird, antwortete er als Einziger: »Borussia Dortmund.« Die anderen 17 waren sich einig: Der Meister der an diesem Wochenende startenden Bundesliga wird wie zuletzt siebenmal in Serie FC Bayern München heißen. Wenn das keine Spannung verspricht ...
Von der zurückliegenden Spielzeit mal abgesehen, stand der bajuwarische Titelgewinn oft genug schon im März oder April fest, also lange vor Saisonende. Den letzten Rest Spannung zieht die Liga dann nur noch aus dem Kampf um Europapokalplätze oder aus der Frage, wer absteigt. Dass das für die Bundesliga nicht gut ist, sieht man daran, dass es in den vergangenen 20 Jahren nur zwei europäische Vereinstitel zu feiern gab: die Siege der Bayern in der Champions League 2001 und 2013. Und seit 2009 stand in der Europa League gar kein Bundesligist mehr im Finale.
Wie aber kann man mehr Wettbewerb und Spannung in die Liga bringen? Eine Idee, die immer wieder aufkommt - und schnell auch immer wieder begraben wird -, ist die Einführung von Playoffs. Vor gut einem Jahr wagte der heutige Technische Direktor des FC Schalke 04, Michael Reschke, die vorsichtige Aussage: »Vielleicht muss man sich auch mal mit einem Playoff-System beschäftigen. Die Münchner werden die nächsten drei, vier Jahre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Meister.« Mit Playoffs käme Spannung hinein, denn »die Meisterfrage wäre wieder völlig offen«.
Auch Mönchengladbachs Manager Max Eberl wollte »daran glauben, dass wir mal wieder einen anderen deutschen Meister erleben«. Andere Länder hätten schließlich auch Playoffs, also sollte man darüber diskutieren. Diese anderen Länder sind allerdings nicht die großen Fußballnationen England, Spanien oder Italien, sondern die USA und Japan. Und seit Dortmund den Bayern 2019 ausnahmsweise mal recht nahe kam, sind die Playoff-Befürworter auch wieder verstummt.
Die Schar der Gegner ist ohnehin viel größer. »Ich bin dagegen, weil die Bundesliga ein Erfolgsmodell ist«, sagte Ligapräsident Reinhard Rauball im Sommer 2018. »Das bestätigen uns alle Zahlen. Es schauen am Wochenende 15 Millionen Leute Bundesliga«, so der Dortmunder Klubboss. Nur die englische Premier League sei finanziell erfolgreicher.
Mal ganz davon abgesehen, dass so ein Ländervergleich hinkt (natürlich schauen im bevölkerungsreichsten Land Europas mehr Menschen Fußball als in den Niederlanden, Litauen oder Malta): Es ist bezeichnend, dass der Erfolg einer Liga nicht mehr am sportlichen Erfolg bemessen wird, sondern offenbar nur noch an ihrem Umsatz und der Kundenzahl.
Uli Hoeneß, Präsident des FC Bayern, spricht sich natürlich auch gegen Playoffs aus. Schließlich sei die Münchner Dominanz nur das Produkt harter Arbeit: »Jetzt die Regeln ändern, nur weil die anderen nicht so leicht mitkommen? Das wäre total unfair. Die anderen Vereine müssen besser arbeiten.«
Hoeneß mag richtig liegen, doch die Dominanz seines Klubs erdrückt zunehmend den Rest und führt zu Langeweile: Von den 238 Spieltagen der vergangenen sieben Spielzeiten standen die Münchner nur nach 48 nicht an der Tabellenspitze. Die Folge: Die Stadien werden leerer. Noch zeigt sich die Liga mit den Besucherzahlen zufrieden. Bei Hertha BSC, Wolfsburg oder Mainz herrscht aber immer häufiger Leere in vielen Blöcken.
Die Einführung der Champions League hat es solchen Klubs erschwert, sportliche Rückstände aufzuholen. Wer gute junge Spieler ausbildet, schafft es mal in die Europa League. Danach folgen die Talente dem Lockruf des Geldes und dem Glanz der Champions League und gehen nach München, Manchester oder Madrid. Titel holt nur noch, wer schon Titel geholt hat.
Dennoch ist die Playoff-Skepsis hoch. Die große Angst fast aller ist, dass am Ende nicht die beste Mannschaft ganz oben stehen würde, vergleichbar mit dem DFB-Pokal, wo immer mal Sensationen passieren. Dabei ist das Gegenteil der Fall. In Playoffs, wie sie Volleyballer, Basketballer oder Eishockeyspieler seit Jahrzehnten ausspielen, gibt es eben nicht dieses eine Partie am Ende, das alles Vorherige auf den Kopf stellt. Ein Ausrutscher kann in einer Playoff-Serie immer ausgebügelt werden. Ein Finale besteht mindestens aus drei, manchmal sogar aus sieben Duellen. Allein mit Glück wird da niemand Meister. Und kein Vorrundenmeister beschwert sich über fehlende Fairness, wenn er in den Playoffs mehrfach bezwungen wird.
Im Fußball dagegen wird nach 34 Spieltagen nicht immer das eindeutig beste Team Meister. Das sollte doch gegen seinen ersten Verfolger mindestens einmal gewinnen oder zumindest zweimal Unentschieden spielen können. Immerhin zwölf von 56 Bundesligameistern schafften das aber nicht. Den Titel holten sie nur, weil sich der Kontrahent einen Ausrutscher zu viel gegen einen Abstiegskandidaten leistete. Selbst in den vergangenen sieben Jahren holten die Bayern in den direkten Duellen mit ihren ärgsten Verfolgern nur viermal mehr als drei Punkte.
Wie wäre es also mit einem Gedankenspiel? Das »nd« stellt sein Playoff-Modell für die Fußball-Bundesliga vor. Was wären die Vorteile, wie groß die Nachteile?
Da der Terminkalender schon jetzt zu voll ist, starten die Playoffs nicht erst nach der üblichen Hauptrunde mit 34 Spieltagen. 17 müssen reichen. Die ersten sechs Mannschaften sind danach in den Playoffs dabei. Über Pre-Playoffs werden direkt nach der Winterpause noch zwei weitere Teilnehmer ermittelt. Es folgt das Viertelfinale mit vier Duellen, in denen fürs Weiterkommen immer mindestens zwei Siege nötig sind. Auch in der Abstiegszone, den Playdowns, gibt es ein solches »Viertelfinale«. Wer gewinnt ist gerettet. Spannung ist also stets garantiert.
In den Halbfinals werden die Finalisten und die ersten zwei Absteiger ermittelt, die Serien werden länger: Nun sind drei Siege Pflicht. Im Finale und im Duell um den letzten Nichtabstiegsplatz muss sogar viermal gewonnen werden. Für den Meistertitel sind über die Playoffs hinweg also mindestens neun Siege gegen direkte Kontrahenten nötig. Zufallsmeister gibt es so nicht.
Wenn alles vorbei ist, kommt die Bundesliga auf maximal 222 Partien - viel weniger als die bisherigen 306. Das kann man positiv sehen: weniger Leerlauf, geringere Belastung der Spieler. Für die Finanzvorstände wäre das aber sicher ein Argument gegen Playoffs, denn weniger Spiele gehen mit geringeren Einnahmen aus Fernsehverträgen und Ticketing einher. Für einige Teams wäre in der Tat schon nach 19 Spielen das Saisonende erreicht. Das kann kosten. Allerdings werden schon jetzt Ligaeinnahmen aus Fernsehverträgen solidarisch unter den Vereinen verteilt. Der Schlüssel müsste nur angepasst werden. In anderen Playoff-Sportarten beschwert sich übrigens auch bei diesem Thema niemand.
Der Meister bestreitet mindestens 26 Spiele. Führt sein Weg über die Pre-Playoffs und die Maximallänge jeder Serie, wären es sogar 35. Und mindestens die Hälfte davon wäre spannender als heute. Kein Gegner mehr, der gegen die Bayern eine B-Elf aufstellt, um ob der sicheren Niederlage die besten Spieler für die nächste Partie zu schonen. Die erhöhte Spannung könnte den TV-Sendern sogar mehr Geld beim Lizenzkauf wert sein. Pay-TV-Sender könnten mit Playoff-Paketen schließlich neue Kunden locken.
Und wer weiß: Vielleicht wird dann sogar wieder das Berliner Olympiastadion voll, wenn Hertha BSC spielt. Und zwar nicht nur, wenn der Gegner 1. FC Union heißt.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1124446.fussballbundesliga-fuehrt-die-playoffs-ein.html