nd-aktuell.de / 28.08.2019 / Berlin / Seite 11

Leisere Töne im Abschiebestreit

Senatskonflikt um die Praxis der Polizei in Asylheimen verschiebt sich auf juristische Ebene

Claudia Krieg

«Das ist der Versuch, eine Durchsuchung zum Betreten umzudeuten», sagt der Rechtsanwalt Volker Gerloff zur erneut diskutierten Frage der rechtlichen Grundlage von Abschiebungen in Berlin. Im Gegensatz zu dem Anwalt schlägt Sozialsenatorin Elke Breitenbach (LINKE) in der wiederaufgeflammten Debatte um die Berliner Abschiebepraxis leisere Töne an. Zuletzt hatte es zwar einen heftigen koalitionsinternen Streit zwischen der Sozial- und Integrationssenatorin und Innensenator Andreas Geisel (SPD) gegeben. Die Polizei könne nicht einfach in Unterkünfte «reinrockern», hatte Breitenbach gefordert und sich auf Gerichtsurteile des Kammergerichts Berlin, sowie des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg bezogen. Die besagen, dass für die Durchführung einer Abschiebung ein richterlicher Durchsuchungsbefehl vorliegen muss. Man habe, so Breitenbach jetzt zu «nd», Heimbetreiber über die Rechtsauffassung der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales in Kenntnis gesetzt, aber nicht, wie vielfach zu lesen war, angewiesen.

In Berlin wird seitens des zuständigen Innensenators in der Frage der Abschiebepraxis aus der Perspektive der zuständigen Polizeibeamt*innen argumentiert: «Auf deren Rücken darf die Diskussion nicht ausgetragen werden», wiederholte Geisel die Linie zu Beginn der Woche. Nachdem der Streit bereits im Juni offen ausgebrochen war, hatte er die Anweisung zur Aussetzung der Praxis erteilt. Mit dem Ergebnis, dass eine «dreistellige Zahl» an Abschiebungen« in den vergangenen Monaten nicht durchführbar gewesen sei, sagte Geisel dem rbb. Fünfmal sei Anzeige wegen Hausfriedensbruch gegen Beamt*innen erstattet worden - seitens der Heimbetreiber.

Verantwortlich gemacht wird dafür auch Senatorin Breitenbach. Diese räumte ein, ihre Rechtsauffassung nicht zu Ungunsten von Polizeibeamt*innen vertreten zu wollen. Dennoch müsse in Hinblick auf die traumatisierten Menschen, die in den Unterkünften leben würden, mehr Sensibilität walten. »Die Polizei kann nicht einfach in Zimmer gehen, in denen unterschiedliche Menschen, gerade Kinder, zusammenleben,« sagte Breitenbach dem rbb. Ein Rechtsgutachten soll nun die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsauslegung prüfen. Am Dienstag haben sich außerdem Staatssekretäre der Verwaltungen zu weiteren Gesprächen getroffen. Ein solches Gutachten könnte die Diskussion um die Abschiebepraxis weg von der politischen Ebene und damit weg von zusätzlicher koalitionsinterner Aufregung zunächst dorthin verschieben, wo sie hingehört: auf die juristische Ebene.

Dies dürfte Innensenator Geisel nicht unbedingt recht sein. Geisel hatte am Montag die Wiederaufnahme der polizeilichen Praxis in der vergangenen Woche, Abschiebungen ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss durchzuführen, verteidigt. Es sei »nicht ganz einfach zwischen Betreten und Durchsuchen zu unterscheiden«, so der Innensenator. Nur geht es hier um einen juristischen Begriff und nicht um einen der Wahrnehmung. Ebenso bei Gemeinschaftsunterkünften: dabei handelt es sich laut Gesetz um Wohnungen, die vom Artikel 13 Grundgesetz - »Unverletzlichkeit der Wohnung« - vor einem polizeilichen Betreten geschützt sind. Das ist nicht neu. Neu ist das im Juni in Kraft getretene bundesweite »Geordnete-Rückkehr-Gesetz«. Genau gegen dieses Gesetz hatte die Berliner SPD noch im Juni opponiert, verfügt aber nun dessen Durchsetzung. Hier sind die Erweiterungen zu finden, die Wohnungsdurchsuchungen erleichtern, damit die Verwaltungsentscheidung der Abschiebung vollstreckt werden kann. »Das Gesetz ist streng genommen verfassungsfeindlich, es will den Schutz der Wohnung für bestimmte Ausländer leer laufen lassen.«, kritisiert Rechtsanwalt Gerloff. Es nutze den Umstand aus, dass es sich um Menschen handele, die faktisch keinen Rechtsschutz haben: »Jemand, der abgeschoben wurde, kann sich juristisch nicht mehr wehren.«