Auf der Liste?

Medienverbände fordern, Journalisten besser vor der Bedrohung durch Rechtsextreme zu schützen

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Rund 25.000 Personen befinden sich auf den sogenannten Todeslisten der extrem rechten Gruppe »Nordkreuz«. Obwohl die Bundesregierung dies bereits seit Juli 2018 weiß, weigern sich die Behörden bis heute, die Mehrheit der Betroffenen zu informieren. Dabei war Innenminister Horst Seehofer (CSU) erst vor wenigen Wochen selbst zur Erkenntnis gelangt, dass solche von Neonazis erstellten Listen eine Gefahr darstellen: »Listen, die Angst und Verunsicherung schüren sollen, bedrohen die Freiheit und damit unsere Demokratie.«

Mehreren Medienorganisationen reichen diese folgenlosen Äußerungen Seehofers nicht. In einem offenen Brief fordern die Verbände, darunter die Neuen deutschen Medienmacher, der Deutsche Journalistenverband und die Deutsche Journalisten-Union, am Mittwoch konkrete Maßnahmen zum Schutz von Medienschaffenden. »Immer mehr Kolleg*innen fühlen sich bedroht. Sie erleben in ihrem Arbeitsalltag Hass, Anfeindungen und Drohungen«, heißt es in dem Brief.

Dass es nicht bei verbalen Attacken bleibt, zeigte vergangenes Frühjahr eine Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit in Leipzig. Die Forscher zählten für das Jahr 2018 insgesamt 26 gewaltsame Angriffe auf Journalisten in Deutschland. In 85 Prozent der Fälle waren die Täter rechts.

Die Medienverbände kritisieren, dass Personen, die sich auf rechten Feindeslisten wiederfinden, nicht umfassend informiert werden. »In Anbetracht der erwiesenen Tatsache, dass Medien ein besonderes Feindbild und Hassobjekt vieler Rechtsextremer sind, ist es unabdingbar, dass die Sicherheit von Medienschaffenden gewährleistet wird«, so die Forderung.

Solange bekannt sei, dass solche Feindeslisten existieren, betroffene Personen und Organisationen aber in Unsicherheit gelassen werden, hätten »die rechtsextremen Akteur*innen ihr Ziel erreicht - nämlich Angst zu verbreiten«. Die Medienmacher verweisen in ihrem Brief auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wonach Behörden in der Bringschuld sind, präventive Maßnahmen zum Schutz von Personen zu ergreifen, »deren Leben durch kriminelle Akte einer anderen Person gefährdet ist«.

Konkret fordern die Verbände deshalb unter anderem, dass Medienschaffende leichter eine Auskunftssperre für ihre Privatadresse über das Melderegister erhalten. »In einigen Bundesländern müssen Medienschaffende erst eine akute Gefahr für Leib und Leben nachweisen, damit eine Auskunftssperre erfolgt - doch dann könnte es bereits zu spät sein, um sich zu schützen.«

Erst vergangenes Jahr musste ein Journalist der »Welt« die Stadt Leipzig verklagen, damit seine Privatadresse von den Meldebehörden nicht mehr herausgegeben werden darf. Nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hatte sich zuletzt die Bremer Datenschutzbeauftragte Imke Sommer dafür ausgesprochen, Auskunftssperren zu erleichtern.

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