Wenn Neonazis nach Gewaltfreiheit rufen

Eine rechte Demonstration in Mönchengladbach gab sich handzahm / Antifaschisten wiesen auf die Gefahr hin

  • Dennis Pesch
  • Lesedauer: 4 Min.

»Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist«, schallte es über die Straße Alter Markt in Mönchengladbach. 30 Antifaschisten saßen die Wartezeit bis zur Räumung durch die Polizei mit Gesängen ab. 200 Meter wurde die extrem rechte Demo deshalb verkürzt. Wichtiger war, dass die 700 Rechtsextremen nicht die große Hauptstraße entlanglaufen konnten, sondern nur eine kleine Seitenstraße, um zu ihrer Zwischenkundgebung auf den Kapuzinerplatz zu kommen.

»Wir haben mit der Blockade einen Teil unseres Ziels erreicht«, sagte ein Sprecher des antifaschistischen Bündnisses »Mönchengladbach stellt sich quer« dem »nd«. Die Naziroute wurde verkürzt, die Demo gestört.

Zunächst hieß es, dass es bei der Räumung der Blockade einen Armbruch gegeben haben soll, später korrigierte das Bündnis. Es habe nur eine Verstauchung mit Gips gegeben. »Die Ermittlungen laufen und stehen zurzeit noch am Anfang«, sagt die Polizei Mönchengladbach dem »nd«.

Das Motto der extrem rechten Demonstration lautete »Stoppt die Gewalt«. Gemeint war nicht die Gewalt aus den eigenen Reihen, die viele der Teilnehmer gegen politische Gegner oder Menschen bereits angewendet haben, die sie als »fremd« oder »anders« markieren. Vielmehr forderte die Demonstration, die europäischen Grenzen zu schließen und Abschiebungen durchzuführen. Beides ist allerdings nur mit staatlicher Gewalt durchzusetzen.

Einige der 700 Rechtsextremen waren bereits bei den rassistischen Krawallen des Bündnisses »HoGeSa« (Hooligans gegen Salafisten) vor mehr als fünf Jahren in Köln dabei. Beispielsweise lief die sogenannte »Bruderschaft Deutschland« aus Düsseldorf beim Aufmarsch in Mönchengladbach mit. Die Gruppe kommt aus dem Düsseldorfer Süden. Seit mehreren Jahren sorgen dort Rechtsextreme für Angriffe auf politische Gegner. 2016 wurde beispielsweise eine Freizeitstätte angegriffen, als sich dort die Stadtteilinitiative »Garath stellt sich quer« gründen wollte. Neben der Bruderschaft waren auch organisierte Neonazis aus Dortmund und Duisburg bei der Demonstration, wie das Dortmunder Stadtratsmitglied Michael Brück.

Anmelder der Demonstration in Mönchengladbach war Dominik Horst Roeseler. In der rechten Szene Nordrhein-Westfalens spielt er seit Jahren eine bedeutende Rolle. Bis heute sitzt er im Gladbacher Stadtrat, bis zu seinem Austritt für die Kleinstpartei »Pro NRW«. Roeseler hatte im Oktober 2014 die »HoGeSa«-Demo in Köln angemeldet und gilt als Bindeglied zwischen verschiedenen Gruppen in NRW, die aus dem ehemaligen »HoGeSa«-Spektrum kommen. Zuletzt hat er vor einem Jahr die Gedenkdemonstration für den Neonazi Marcel Kuschela in Mönchengladbach veranstaltet, der sich selbst das Leben genommen hat. Beide waren an der Gründung von »HoGeSa« und dem Nachfolger »Gemeinsam Stark Deutschland« beteiligt. Die letzte Demo von »Gemeinsam Stark« im Oktober 2016 war auch ein Vernetzungstreffen der rechtsterroristischen Organisation »Combat 18«.

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Nach Polizeiangaben nahmen an den Kundgebungen von »Mönchengladbach stellt sich quer« bis zu 700 Menschen teil. Offenbar wurde die rechte Mobilisierung aber innerhalb linker Strukturen im Vorfeld unterschätzt.

Die Strategie des rechten Aufmarschs, sich als gewaltfrei und bürgerlich darzustellen, ordnet ein Sprecher von »Mönchengladbach stellt sich quer« als Vorwand ein: »Es ist gefährlich, weil rüberkommen soll, dass es sich um Leute handelt, die keine organisierten Neonazis sind oder sein wollen. Wir denken, dass das Gegenteil der Fall ist. Es handelt sich um organisierte Neonazis, die unter einem Deckmantel handeln.«

Der rechte Aufmarsch dürfte in diesem Jahr bislang der größte in Nordrhein-Westfalen gewesen sein. Vor allem aus NRW schlossen sich ideologisch nahestehende Gruppen zusammen, die sich als rechte Hooligans oder selbst ernannte Bürgerwehren verstehen. Auch die Symbole vieler Teilnehmer waren eindeutig. Bekannte Neonazi-Marken wie Thor Steiner und Ansgar Aryan waren ebenso vertreten wie Fan-Shirts der Combat-18-Band »Oidoxie«.

Dass die propagierte Gewaltfreiheit nur eine Fassade ist, zeigte sich nach Auflösung der Demonstration, als es vor dem Hauptbahnhof in Mönchengladbach jeweils einen Angriffsversuch auf Antifaschisten und Journalisten gab.

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