nd-aktuell.de / 27.09.2019 / Berlin / Seite 11

Weniger Ticket fürs Geld

Gewerkschaft ver.di nennt beschlossene Erhöhung der Fahrpreise alternativlos

Nicolas Šustr

Für die Verkehrswende brauche es ein hochwertiges und leistungsfähiges Bus- und Bahnsystem, erklärt Susanne Henckel, Chefin des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB). »Vor dem Hintergrund steigender Kosten bei den Verkehrsunternehmen im VBB kommen wir aber derzeit an moderaten Fahrpreiserhöhungen nicht vorbei«, so Henckel weiter zum Beschluss des VBB-Aufsichtsrates, die Fahrpreise zum Jahreswechsel um durchschnittlich 3,3 Prozent zu erhöhen. In dem fast 30-köpfigen Gremium sind Vertreter der Brandenburger Ministerien, Landkreise und kreisfreien Städte sowie von Berliner Senatsverwaltungen vertreten.

Die Preissteigerungen sind sehr ungleich verteilt. Vor allem Einzelfahrkarten und Tageskarten werden zum Teil deutlich teurer, bei Abos ändern sich die Preise häufig gar nicht (siehe Kasten). »Wichtig ist uns, dass vor allem die Stammkundinnen und Stammkunden nicht mehr beziehungsweise nur wenig mehr für ihre regelmäßigen Fahrten bezahlen müssen. Das Abonnement muss sich weiter lohnen«, sagt Henckel dazu.
Die Anpassung von 3,3 Prozent erfolgte auf Basis des Tarifindizes des VBB, der sich an der Preisentwicklung der Lebenshaltungs-, Strom- und Kraftstoffpreise der vergangenen 60 Monate orientiert. Zuletzt wurden die Fahrpreise zum 1. Januar 2017 um 0,56 Prozent angehoben.

Es gibt auch kleine Neuerungen. Zum Beispiel gibt es den Anschlussfahrausweis für Berlin (A oder C) künftig auch als Tageskarte für 3,50 Euro. Damit können Besucher aus der Hauptstadt, die eine Monatskarte AB haben, künftig beispielsweise bei einer Potsdamer Schlössertour den ganzen Tag den dortigen Nahverkehr nutzen. Noch geprüft werde, ob Berliner Monatskarteninhaber abends und am Wochenende statt einer Begleitperson auch ein Fahrrad kostenlos mitnehmen können.

Die Erhöhung der Fahrpreise wurden am Donnerstag auch im Abgeordnetenhaus kontrovers diskutiert. Kritik äußerte unter anderem der CDU-Abgeordnete Danny Freymark. Er forderte statt der Erhöhungen eine Verlängerung der U8 ins Märkische Viertel. Der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz erklärte, dass die Landkreise in Brandenburg sogar eine Erhöhung der Fahrpreise von 10,5 Prozent gefordert hätten, weil es dort eine andere Situation gebe.
Der Sprecher der Berliner Senatsverkehrsverwaltung, Jan Thomsen, sagte am Mittwoch zu »nd«: »Der rund 100 Millionen Euro schwere Tarifabschluss für die BVG muss finanziert werden, damit gute Arbeit gut bezahlt bleibt. Zudem will Berlin jetzt und in den kommenden Jahren massiv in den ÖPNV finanzieren: mehr Strecken, neue Wagen, neue Busse, dichtere Takte.«

Die Gewerkschaft ver.di verteidigt die Tariferhöhung als »notwendig und alternativlos«. »Durch die ausgebliebenen Tariferhöhungen im VBB und unzureichenden finanziellen Ausgleich durch die Politik mussten die Verkehrsunternehmen in den letzten zwei Jahren die zusätzlichen Kosten weitestgehend alleine bewältigen. Dies wurde nicht selten auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen«, so Jeremy Arndt, ver.di-Landesfachbereichsleiter Verkehr für Berlin.

Durch niedrige Entgelte, schwierige Arbeitsbedingungen und die demografische Entwicklung fehle es an personellen Kapazitäten, heißt es bei der Gewerkschaft. Arndt fordert eine »offene und ehrliche Diskussion mit dem VBB, den Verkehrsunternehmen, der Politik und den Sozialpartnern zur zukünftigen Finanzierung des ÖPNV«. Vorhaben wie ein 365-Euro-Ticket oder kostenfreier Öffentlicher Nahverkehr würden die Unternehmen in der aktuellen Lage überlasten und zu einem Kollaps führen, ist er überzeugt. »Die Leittragenden wären dann sowohl die Beschäftigten als auch die Fahrgäste«, so Jeremy Arndt weiter.