nd-aktuell.de / 05.10.2019 / Kommentare / Seite 11

Beruhigungspimmel

Frauen werden durch Penis-Penetration ruhig, besonnen, ausgeglichen, auf Linie gebracht und kochen einem was. Ist es nicht so? Nein.

Paula Irmschler

Manchmal muss man sich durchaus fragen, wie Leute Sex haben und welche Körperteile sie dabei so penetrieren. Ein Anlass, sich diesbezüglich mit der Hand heftig gegen die Stirn zu schlagen, waren unlängst die Äußerungen, die mittelalte bis alte Männer tätigten, nachdem sie mal wieder Greta Thunberg dabei zusehen mussten, wie sie sich vor Publikum äußerte, Emotionen zeigte und ihre Meinung und Fakten öffentlich vertrat. Etwa zur gleichen Zeit gründete sich die Facebook-Gruppe »Fridays for Hubraum«, deren misogyne Kommentare sogar die Gruppenbetreiber schockierten, die deshalb offline genommen wurde und deren Mitglieder sich einige Anzeigen einhandelten. Neben den mittlerweile leider normalen Mord- und Vergewaltigungsdrohungen gegenüber weiblichen öffentlichen Personen gab es auch wieder zuhauf folgende Interpretation der Thunberg’schen Wut zu lesen: Diese gäbe es nur, weil Thunberg bisher noch keinen Sex mit Männern habe.

Neben der Widerwärtigkeit, dass sich erwachsene Männer Gedanken um das Intimleben einer Minderjährigen machen, wird auch klar, was so viele offenbar für eine Nebenwirkung von Sex halten. Mädchen und Frauen werden durch Penetration, natürlich durch Penis-Penetration, denn alles andere gilt nicht, ruhig, besonnen, still, ausgeglichen, auf Linie gebracht, wechseln die Seite, fahren nach Hause und kochen einem was. Penispenetrationssex gilt diesen Männern als Strafe und Beruhigungstablette zugleich, in jedem Fall als Reglementierung. Die Frau wird auf ihren Platz verwiesen und hat nichts mehr zu melden, will nichts mehr zu melden haben, weil der geniale Männerpenis ihr ausreicht zum Glücklichsein. Er ersetzt jegliches andere vorstellbare private und politische Glück. »Ungefickte«, »frigide«, »hässliche« Feministinnen kennen diesen Trick.

Ich frage mich, ob diese Männer eigentlich schon mal Sex mit Männern hatten. Falls nicht, wäre es nicht schlimm, aber mir scheint es, als überschätzten sie diese Erfahrung ein wenig. Nichts gegen Pimmel und Penetration und so, aber für viele Frauen ist es eher so »mittel«, die meisten bekommen durch den Meinungsverhinderungsschwengel nicht mal einen Orgasmus. Und selbst wenn, ist es ganz super, aber nun wirklich nicht die Übererfahrung, die uns vom Schreiben, Denken, Handeln und Sprechen fernhält. Die meisten wütenden und kritischen Frauen, die ich kenne, haben gern Sex. Mit sich selbst, mit Frauen, untereinander, mit Männern. Sie haben zum Beispiel Orgasmen, die durch Finger, Zungen und Vibratoren ausgelöst werden. Sie gehen dennoch nachher raus und haben noch ihren Verstand.

Also, liebe Internetmänner, wenn Sex mit euch so beruhigend sein soll, warum probiert ihr es dann nicht selbst einmal aus? Vorschlag: Ihr vögelt euch einfach gegenseitig und lasst uns mit eurem Frust in Ruhe. Deal?