nd-aktuell.de / 12.10.2019 / Politik / Seite 24

»Den Zufall ruhig mal an sich ranlassen«

Über Sinn und Unsinn von Wetterprognosen: Dr. Steffen Schmidt,Universalgelehrte der »nd«-Redaktionerklärt die Welt.

Ines Wallrodt

Zeit der Herbstürme: Man hat schon davon gehört, dass Orkanböen Lkw durch die Luft wirbeln, aber nie Menschen. Ist natürlich gut, aber warum eigentlich nicht? Ein Mensch ist doch viel leichter.

Ja, aber er bietet auch eine viele geringere Angriffsfläche, und zum zweiten passieren solche Unfälle meist auf freiem Feld, wo der Wind voll durchfegen kann. Und da läuft bei solchem Wetter kaum ein Mensch rum.

Aber die Geschichten von Tornados, die Mensch, Tier und Haus durch die Luft wirbeln, die stimmen schon, oder?

Das ist sicher nicht nur eine Kindergeschichte vom Zauberer von Oz. Nur in der Realität wird man beim Aufprall weder das Häuschen noch den Inhalt unbeschadet vorfinden.

Warum weichen die Wettervorhersagen verschiedener Webseiten oft so stark voneinander ab? Das sind doch wissenschaftliche Daten. Objektiv, unbestechlich.

Die benutzen alle die gleichen Daten, das ist wohl wahr, und auch ähnliche Computermodelle. Die Messungen sind auch relativ kleinmaschig, aber desto mehr Wechselwirkungen sind zu berücksichtigen, die man aber nicht immer so zuverlässig modellieren kann. Und so bleibt immer noch etwas Arbeit für den Meteorologen und die urteilen halt unterschiedlich.

Bei Zwei-Wochen-Prognosen sind dagegen alle gleich unzuverlässig. Warum wird trotzdem so getan, als könnte man so weit im Voraus Sonnenstunden, Wolken, Regen im Detail vorhersagen?

Wenn man nicht eine sehr stabile Wetterlage hat, ist das natürlich reine Lotterie. Aber der einzelne Wetterdienst, der das kommerziell betreibt, versucht eben, die Kundschaft zu binden, indem er ihr Bedürfnis befriedigt, schon im Voraus zu wissen, wie das Wetter im Urlaub wird.

Wann kamen diese Langfristprognosen auf? Internet?

Das mag auch durch die Ausbreitung von Computermodellen in die Alltagspraxis gekommen sein. Durch immer raffinierter werdende Computerspiele und das ganze Gerede von der künstlichen Intelligenz, die ja zumindest langsam anfängt, nicht mehr ganz so dumm zu sein - dadurch hat sich bei vielen Laien die Vorstellung ausgebreitet, dass man die Modelle doch ziemlich strapazieren kann. Bei solch hochkomplexen und chaotischen Angelegenheiten wie dem Wetter ist das aber ein Trugschluss.

Dabei macht man sich oft ganz umsonst im Vorhinein verrückt.

Das ist auch eine Typfrage. Wer dauernd alles durchplanen will, macht sich eh unglücklich. Dabei hat man im Arbeitsleben schon genug Stress, alles durchzuorganisieren. Da kann man doch den Zufall im Rest des Lebens ruhig mal an sich ranlassen.