nd-aktuell.de / 28.10.2019 / Brandenburg

Auf die Umsetzung kommt es an

Zustimmung, Ablehnung, Skepsis: Reaktionen auf den von SPD, CDU und Grünen vorgelegten Koalitionsvertrag

Andreas Fritsche

»Mut und Optimismus, Dinge voranzubringen für die Menschen in unserem Land, das ist unser Ziel in dieser Koalition«, sagte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), als er den Koalitionsvertrag mit der CDU und den Grünen vorstellte. Mut haben seiner Ansicht nach alle drei Parteien gebraucht, »um sich auf diesen Weg zu begeben«.

Dabei betreten sie keineswegs Neuland. In Sachsen-Anhalt gibt es ein Regierungsbündnis in den Farben Schwarz, Rot und Grün bereits seit der Landtagswahl 2016. CDU und Grüne haben sich schon Mitte bis Ende der 1990er Jahren gedanklich auf eine mögliche Zusammenarbeit miteinander vorbereitet. Damals gab es die ersten Äußerungen, dass dies nicht grundsätzlich auszuschließen sei, und es gab die sogenannte Pizza-Connection mit informellen Treffen junger Politiker beider Parteien in einer Bonner Pizzeria. Kooperationen auf kommunaler Ebene wurden auch schon in den 1990er Jahren eingefädelt. Dabei mitgewirkt hat in Frankfurt am Main auf Seiten der CDU damals der heutige AfD-Frontmann Alexander Gauland. Auf Landesebene gab es die erste Koalition 2008 in Hamburg, gefolgt von Hessen 2014. In Baden-Württemberg übernahmen dabei 2016 dann erstmals die Grünen die Führung.

Die brandenburgische SPD ist sowie in alle Richtungen offen, ausgeschlossen die AfD. Sensationell ist die Einigung also nicht im Entferntesten und besonders mutig auch nicht. Ministerpräsident Woidke spricht von einer »Koalition der Mitte«. Zu einer solchen Koalition gehört ganz gewiss kein Mut.

»Große Zahlen und Floskeln allein sind kein Mut«, urteilen die Linksfraktionschefs Kathrin Dannenberg und Sebastian Walter über den Koalitionsvertrag. Ihrer Einschätzung nach sollen viele unter Rot-Rot begonnenen Projekte fortgeführt werden - »aber nicht mit dem notwendigen Mut. Da, wo es konkret werden müsste, kneife die neue Koalition. So komme der Vergabemindestlohn von 13 Euro als Bedingung für öffentliche Aufträge nicht im nächsten Jahr, «sondern Geringverdiener müssen sich mindestens noch zwei Jahre gedulden». Dafür würden umso schneller gut dotierte Stellen im Regierungsapparat geschaffen. Entscheidend seien nicht die Versprechungen, sondern die Umsetzung. So werden 250 Stellen mehr bei der Polizei bis 2024 versprochen. «Nicht gesehen wird aber, dass die derzeit vorhandenen Stellen schon jetzt nicht besetzt werden können.» Ähnlich sei die Situation bei den unterbezahlten Pflegekräften oder bei den Erzieherinnen.

Für die Freien Wähler ist der Koalitionsvertrag «Ausdruck eines machtorientierten Vorgehens unter Aufgabe zentraler Wahlversprechen». Es sei in keiner Weise nachvollziehbar, dass keine Lösung des Altanschließerproblems angeboten werde. «Während die CDU das Thema im Zeitkorridor der letzten drei Jahre phasenweise für sich entdeckte, schweigt sie hierzu nun», rügen die Freien Wähler, die erstmals in Fraktionsstärke in Landtag vertreten sind. Weil die Grünen das Umweltministerium bekommen, fürchten die Freien Wähler, dass extensiv Genehmigungen für Windkraftanlagen erteilt werden.

Zu einer gegensätzlichen Einschätzung gelangt Jan Hinrich Glahr, Landesvorsitzender des Branchenverbandes Windenergie. «Eine Weichenstellung für die Energiewende wurde verpasst», bedauert er.

Das Aktionsbündnis für ein lebenswertes Berlin und Brandenburg (ABB), in dem sich Bürgerinitiativen rund um den neuen Hauptstadtflughafen BER zusammengeschlossen haben, erkennt noch nicht, wohin die Reise beim BER geht, insbesondere was das geforderte konsequente Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr angeht. «Das Bekenntnis zum Nachtflugverbot entspricht unverändert der bekannten Beschlusslage des Landtages seit dem Jahr 2013», stellt das ABB fest. Die Umsetzung im Sinne der Anwohner sei kein Selbstläufer, sondern bedürfe «engagierten politischen Bemühens und Handelns». Der Verzicht auf den Bau einer dritten Start- und Landebahn, der vorher auch schon von Rot-Rot vereinbart war, habe «in den nächsten fünf Jahren ohnehin nur symbolische Bedeutung», weil in dieser Zeit keine Entscheidung darüber anstehe, argumentiert das ABB.

Gabriela Leyh, Landesgeschäftsführerin der Krankenkasse Barmer, findet ausschließlich lobende Worte für den Koalitionsvertrag. So sagt sie, mit dem Förderprogramm für die Stärkung der Pflege vor Ort und mit alltagsunterstützenden Maßnahmen für pflegende Angehörige würden «die richtigen Antworten» gegeben auf den zu erwartenden Anstieg der Zahl pflegedürftiger Menschen.

Das Land müsse sich mit höherer Priorität um die Tarifbindung kümmern«, findet DGB-Landesbezirkschef Christian Hoßbach, »speziell mit den jetzt im Koalitionsvertrag ins Auge gefassten wirksamen Tariftreueregeln im Vergabegesetz«. Insgesamt sei der Stellenwert des Themas gute Arbeit im Koalitionsvertrag aber »verhalten« und müsse »in der Regierungsarbeit an Kontur gewinnen«. Beispielsweise hätte sich die Gewerkschaft »eine verbindlichere Stärkung des Arbeitsschutzes erwartet«.

Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, erhofft sich nach den zügigen Koalitionsverhandlungen, dass die künftige Regierung das Bundesland »nun ebenso zügig auf den nötigen Modernisierungskurs bringt«. Die richtigen Weichen seien mit dem Vertrag gestellt.