nd-aktuell.de / 05.11.2019 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 7

Serienstart für den Elektro-Käfer

Volkswagen-Werk in Zwickau produziert ab 2021 nur noch E-Autos

Hendrik Lasch, Zwickau

Volkswagen tut dem Klima nicht gut. 100 Millionen Autos aus dem Konzern rollen derzeit weltweit; in Summe sorgen sie für ein Prozent der CO2-Emissionen. Die Zahl nannte Vorstandschef Herbert Diess am Montag bei einer Veranstaltung, mit der Deutschlands größter Autobauer zeigen will, dass er den Schalter umlegt. In Zwickau feierte er den Start der Serienproduktion für den ID.3, das erste Massenmodell von VW, das komplett als Elektrofahrzeug entwickelt wurde. Er ist Teil der ersten vollständigen »Elektrifizierung« eines traditionellen Automobilwerks. Schon ab 2021 sollen an dem sächsischen Standort nur noch E-Autos vom Band laufen - bis zu 330.000 pro Jahr.

Dem spektakulär inszenierten Serienstart im Beisein von Kanzlerin Angela Merkel gingen zwei Jahre komplexer Vorbereitungen voraus. Das Werk wird bei laufender Produktion umgerüstet. Eine der beiden Produktionslinien wurde bereits komplett neu gestaltet, während auf der anderen noch bis nächstes Jahr der Golf Variant mit Verbrennungsmotor gefertigt wird. Reinhard de Vries, für Produktion zuständiger Vorstand bei VW Sachsen, spricht von einem »Umzug im Kleiderschrank«. Dabei werden 1700 Industrieroboter und Hunderte fahrerlose Transportsysteme installiert; alle 8000 Mitarbeiter werden umgeschult. Die Umrüstung kostet 1,2 Milliarden Euro. Zwickau sei damit beim Thema Elektromobilität »der Eisbrecher im Konzern«, sagt Jens Rothe, der Chef des Betriebsrats.

Der ID.3, von dem 650 Vorserienmodelle hergestellt wurden und für den es 35 000 Vorbestellungen geben soll, wird mit Batterien für Reichweiten zwischen 330 und 550 Kilometern ausgestattet. Er soll ab Sommer 2020 in Deutschland erhältlich sein und in der Basisvariante unter 30 000 Euro kosten. Damit werde man Elektromobilität »für Millionen Menschen erschwinglich machen«, sagte Thomas Ulbrich, der für das Thema zuständige VW-Vorstand. Er vergleicht das Modell mit den legendären VW-Käfer und Golf. Der Serienstart sei der »Beginn einer neuen Zeitrechnung für das Werk, für Volkswagen und ein Stück weit für die deutsche Automobilindustrie«.

Dieser wird oft vorgeworfen, den Übergang ins Zeitalter der Elektromobilität verschlafen zu haben. Als Vorreiter der Technologie gelten vielmehr das US-Unternehmen Tesla oder Hersteller in Asien. Mit dem ID.3 und weiteren neuen Modellen von VW und anderen Konzernmarken wie Audi und Seat, die nun fast im Quartalstakt präsentiert und von denen etliche auch in Zwickau produziert werden, will der deutsche Hersteller in die Vorhand kommen. Deutschland, sagte Diess, müsse der »Leitmarkt für E-Mobilität« werden.

Dass die Zukunft auf dem Pkw-Markt batteriebetriebenen Autos gehört, daran hat die VW-Führung keine Zweifel. Es sei »keine Frage ob, sondern nur wann und in welcher Region der Welt zuerst« sich diese durchsetzen, sagte Diess. Wasserstoffantriebe, die erst nach 2030 serienreif würden, sowie synthetische Kraftstoffe kämen vorwiegend in Lkw, Schiffen und Flugzeugen zum Einsatz. Merkel sprach von einem »Paradigmenwechsel in der motorisierten Mobilität«, wie es ihn seit der Erfindung des Autos nicht gegeben habe. Freilich: Auch etliche der frühen Automobile, die vor über 100 Jahren entwickelt wurden, hatten elektrische Antriebe. Allerdings setzte sich die Technologie nicht durch. Damit es im zweiten Anlauf besser klappt, verspricht die Politik massive Unterstützung. Merkel nannte den Ausbau der Ladeinfrastruktur sowie Kaufprämien, die auch über das Jahr 2021 hinaus gezahlt werden sollen.

Die Autobauer in Zwickau, wo August Horch ab 1904 mit der Produktion von Kraftfahrzeugen begann, sehen den Umstieg auf Elektroautos als Chance, obwohl es laut Betriebsratschef Rothe bei Beschäftigten neben Begeisterung auch Sorgen gebe. Bis zum Jahr 2029 gilt eine Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung. Wie sich die Transformation auf andere Firmen der Branche auswirkt, ist indes offen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) mahnte, man dürfe »die Zuliefererstruktur und Wertschöpfungsketten nicht vergessen«.