nd-aktuell.de / 12.11.2019 / Kommentare

Neuer Widerstand in Athen birgt Hoffnung

Linke und Studierende wehren sich gegen Polizeiaufmarsch an Universität

John Malamatinas

Die erst im Vorsommer gewählte rechtskonservative Regierung von Kyriakos Mitsotakis in Griechenland setzt alles daran, um Proteste zu provozieren. Nachdem sie anfing, selbstorganisierte Besetzungen von Geflüchteten zu räumen und den Einwohnern und Anarchisten im linksalternativen Stadtteil Exarchia in Athen den Krieg erklärte, sind nun die Studierenden dran. Letztere protestieren seit dem Sommer gegen die Aufhebung eines Gesetzes, das der Polizei das Betreten des Universitätsgeländes verbietet und Studentenproteste schützt. Das Gesetz war ein Vermächtnis eines Studentenaufstandes vom 17. November 1973 während der Militärdiktatur, als ein Panzer die Tore der Technischen Universität in Athen rammte. Dutz­ende Menschen wurden an diesem Tag getötet.

Die Bilder des Angriffs der berüchtigten Riot-Polizei MAT auf die Studierenden der Athener Wirtschaftsuniversität ASOEE am Montag gingen um die Welt. Sechs Tage vor dem historischen Datum stürmten MAT-Einheiten den Campus mit dem Ziel, die politischen Besetzungen durch Studierende zu verhindern – eine unfassbare Provokation und gleichzeitig eine politische Machtdemonstration, die Erinnerungen an die Diktatur in der öffentlichen Debatte hervorruft. Eigentlich sollte mit der Aktion rechten Wählern geschmeichelt werden – erreicht wurde genau das Gegenteil: ein Anlass für eine soziale Bewegung! Und das in einer schwierigen Phase für die organisierte Linke, nach den Jahren der Austerität und dem einhergehenden Vetrauensverlust der Menschen in soziale Veränderung.

Wer die Diskussionen von griechischen Internetnutzern am Dienstagmorgen in sozialen Medien beobachtete, konnte ein Gefühl verspüren, dass den meisten Linken seit dem großen Generalstreik im Februar 2012 fehlt: Hoffnung! Zahlreiche griechische Aktivisten, aber auch normale Leute, teilten die Bilder und Videos der Demonstrationen von Montagabend. Darin sind tausende junge Menschen zu sehen, die sich von der Polizeioperation nicht einschüchtern lassen wollen und die Herausforderung annehmen, für eine andere Zukunft zu streiten - eine Zukunft ohne rechte Polizeicowboys, rassistischen Grillfeste zum »Schutz der griechischen Tradition« gegen Geflüchtete oder homophobe und sexistische Angriffe. Es ist ein doppelseitiger Kampf gegen die wieder aufkommenden »griechischen Werte« und die von Mitsotakis forcierten soziale Zertrümmerung mittels Privatisierung und Vertreibung.

Es sei daran erinnert, dass der Zyklus der Krisenproteste in Griechenland nicht erst durch die bekannte Rede von Giorgos Papandreous auf einer Yacht nahe der Insel Kastelorizo im April 2010 begann. Der damalige Premierminister hatte gesagt, »dass wir es nicht ohne die Finanzhilfe der internationalen Partner schaffen werden«. Doch die Jugend hatte schon viel früher Alarm geschlagen: Bei den Studierendenprotesten 2006 gegen die Neoliberalisierung der Unis und mit dem Aufstand im Dezember 2008, als der 15-jährige Alexandros Grigoropoulos von der Polizei erschossen wurde. An Inspiration fehlt es aktuell nicht: Auch in Griechenland schauen die Menschen gebannt auf die aktuellen Aufstände auf der Welt.