nd-aktuell.de / 14.11.2019 / Politik / Seite 4

Ganztägig Lehrermangel

Die Bundesregierung will den Ausbau der Betreuung für Grundschüler unterstützen - Lehrkräfte sind allerdings Mangelware

Markus Drescher

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch ein »Ganztagsfinanzierungsgesetz« auf den Weg gebracht. Mit zwei Milliarden Euro will die Große Koalition die Bundesländer in den kommenden zwei Jahren beim Ausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder unterstützen. Die Investitionen dienten der Vorbereitung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter, der ab 2025 in Kraft treten solle, hieß es.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) erklärte zum Kabinettsbeschluss: »Heute sind wir auf dem Weg zum Rechtsanspruch einen großen Schritt weitergekommen - wir wollen mehr Chancengerechtigkeit für alle Kinder und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Eltern.« Weitere Schritte zur Umsetzung würden nun vorbereitet. »Mehr Ganztagsbetreuung bedeutet aber natürlich auch mehr Bedarf an Fachkräften. Hier sind jetzt vor allem die Länder gefordert, die Kapazitäten weiter zu erhöhen und gute Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen zu schaffen«, so Giffey, deren Ministerium sich die Kosten mit dem Haus von Anja Karliczek (CDU) teilt.

Die Bundesbildungsministerin betonte, die Qualität der Ganztagsangebote in den Schulen und Horten müsse stimmen. Hochwertige Bildungs- und Betreuungsangebote müssten »die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler ermöglichen«. Die einen bräuchten »besondere Unterstützung beim Lernen, die anderen sollten durch zusätzliche Angebote gefördert werden«.

Mammutaufgabe: Lehrer finden

Mit ihrem Hinweis, dass mit dem Ausbau auch mehr Fachkräfte benötigt werden, trifft Giffey selbst einen wunden Punkt der deutschen Schulsysteme: Es mangelt an Lehrkräften. So findet auch Birke Bull-Bischoff, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, dass es höchste Zeit für diese ersten Regelungen zur Ganztagsbetreuung gewesen sei, »angesichts der immer größer werdenden Nachfrage nach Ganztagsplätzen«. Bull-Bischoff begrüßt es auch, »dass die Bundesregierung endlich erkannt hat, dass der Ausbau der Ganztagsbetreuung mehr als überfällig ist«. Das gemeinsame Lernen in der Ganztagsschule sei »ein wesentlicher Schritt in Richtung mehr Bildungsgerechtigkeit, nicht nur für Schüler aus problembelasteten Familien mit wenig Geld und wenig Schulerfolg«. Das Ganze bleibe »jedoch nur ein Pappkamerad, wenn nicht neben den Investitionen in die Gebäude für die Ganztagsbetreuung auch eine Beseitigung des dramatischen Fachkräftemangels stattfindet«. Nach Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung würden im Jahr 2025 über 26 000 Absolventen für das Grundschullehramt fehlen, so Bull-Bischoff. Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, hatte anlässlich der Vorstellung der Studie im September erklärt: »Die Bewältigung des Lehrermangels ist eine Herkulesaufgabe. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler wächst dynamischer als angenommen. Gleichzeitig dauert es noch etliche Jahre, bis die zusätzlich eingerichteten Studienplätze für das Lehramt an Grundschulen auch mehr Absolventen hervorbringen.«

Kritik an Höhe der Förderung

Für die Grünen im Bundestag begrüßten Katja Dörner und Ekin Deligöz das Vorhaben des Rechtsanspruchs, kritisierten aber die Höhe der geplanten Unterstützung durch den Bund. »Angesichts prognostizierter Investitionsbedarfe von über 7,5 Milliarden Euro kann die von der Bundesregierung jetzt bereitgestellte eine Milliarde Euro für 2020 in einem Sondervermögen nur ein Anfang sein.« Auch Bayerns Familienministerin Kerstin Schreyer (CSU) beschwerte sich: »Das ist viel zu wenig. Diese Summe wäre schon allein für Bayern nötig.« Es sei enttäuschend, dass das Bundeskabinett kein Wort darüber verliere, wie der Rechtsanspruch insgesamt finanziert werden soll. Der Deutsche Städtetag forderte eine stärkere finanzielle Unterstützung. Es reiche nicht, dass sich der Bund »nur bruchstückhaft« an den Kosten beteilige, sagte Städtetags-Präsident Burkhard Jung der »Passauer Neuen Presse«. Die Städte erwarteten, »dass Bund und Länder einen wesentlich größeren Anteil an den zusätzlichen Investitionskosten übernehmen«.