Arbeitsbeschaffung für Augenoptiker

Ines Wallrodt fragte nd-Wissenschaftsredakteur Steffen Schmidt nach Einschlafritualen - und landete beim Thema Sehschwäche

Viele Menschen lesen zum Einschlafen. Zwei Seiten, dann sind sie weg.

Über Filmen kann man auch leicht einschlafen. Bei Büchern geht es mir eigentlich nie so.

Echt?

Ich lese nie im Bett und immer im Sitzen. Nur als Kind habe ich abends heimlich im Bett noch gelesen, weil ich nicht so lange lesen sollte.

Ja klar, weil das die Augen kaputtmacht ...

Das stimmt so gar nicht. Die Augen ermüden schneller, aber sie werden nicht schlechter. Es ist im Grunde einfache Optik, wie bei einer Kamera. Große Blende, wenig Tiefenschärfe. Probleme mit den Augen bekam ich später anders: Durch unsere oft ziemlich kleingedruckten Reclam-Bücher und Korrekturlesen bei der Zeitung wurde ich kurzsichtig. Die erste Augenärztin, die ich deswegen aufsuchte, hat gesagt, erworbene Kurzsichtigkeit gibt es nicht. Sieht man, was Ärzte manchmal für einen Blödsinn reden können!

Durch Brillen werden die Augen bequem - auch Blödsinn?

Früher hat man deshalb Brillen etwas schwächer verordnet, damit den Augen nicht jede Anstrengung abgenommen wird. Aber das ist unter Ärzten inzwischen tatsächlich strittig.

Kurzsichtigkeit nimmt ja enorm zu. Früher wurde der eine Schüler mit Brille gehänselt, heute trägt die halbe Klasse eine.

In Südkorea gibt es geradezu eine Kurzsichtigkeitsepidemie. Vielleicht wirklich, weil die so viel lesen. Die schneiden ja auch bei den Pisa-Studien im Lesevermögen immer besonders gut ab.

Vielleicht ist aber auch dies wieder nur eine Folge besserer Diagnostik.

Normale Menschen konnten sich früher jedenfalls weder Arzt noch Brille leisten. Brillen gibt es erst seit dem Mittelalter, wie man im »Namen der Rose« schön sehen konnte. Von den Linsenmaterialien damals kommt das Wort für die Brille her. Da Glas meist noch zu inhomogen für Linsen war, nahm man klare natürliche Kristalle. Und da die meist Beryll genannt wurden, färbte das im Deutschen auf die Bezeichnung für die Brille ab. Heute nennt man nur noch ein spezielles Aluminium-Beryllium-Silikat Beryll, das wegen seiner großen Härte eher ungeeignet zum Linsenschleifen ist. Aber ich denke schon, dass Sehschwächen zunehmen, was daran liegen kann, dass Kinder heute viel weniger draußen spielen. Dadurch fehlt ihnen Sonnenlicht. Außerdem schauen Heranwachsende zu wenig in die Ferne. Das würde die Augen entspannen.

Stattdessen starren sie auf ihr Smartphone ...

... die gigantischste Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Augenoptiker seit der Erfindung des Buchdrucks.

Ihre Eltern hockten vor der Glotze. Auch nicht anders.

Ja, aber damals gab es noch den Sendeschluss.

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