nd-aktuell.de / 25.11.2019 / Kommentare / Seite 8

Einer ist immer Sachsen-Anhalt

Christoph Ruf über die Qualitäten des Polizisten Rainer Wendt als Staatssekretär im Magdeburger Innenministerium

Christoph Ruf

Einen wunderschönen guten Morgen, liebe Mitmenschen! Falls Sie nicht in Köthen, Bernburg, Halle oder sonstwo in Sachsen-Anhalt wohnen, können Sie den Gruß jetzt ganz entspannt erwidern. Und alles ist wie immer.

Falls Sie aber doch in Sachsen-Anhalt wohnen, müssen Sie in diesen neblig-kühlen Tagen noch stärker sein als Sie es eigentlich sowieso gewohnt sein sollten. Ihnen stehen nämlich harte Zeiten bevor. Und das, wo Sie geographisch gesehen ja sowieso schon Pech genug haben: Keine Ostsee in Sichtweite, keine Alpen. Und egal, wohin man schaut: Im Osten, Westen, Süden, Norden grenzt Ihr an gar nichts Spannendes. Nur an Deutschland.

Und als ob das alles nicht schon misslich genug wäre, hat euch jetzt auch noch die Politik richtig einen reingewürgt. Gesucht wurde in Magdeburg ein Ersatz für die Staatssekretärin im Innenministerium, und anstatt da irgendjemanden der üblichen Verdächtigen zu nehmen, einen, der sich auf der Schleimspur von der Jungen Union ins Ministerium schon angemessen lang hochgedient hat, hat euer völlig zurecht weithin unbekannter Ministerpräsident einen Externen berufen.

Aber was für einen: RAINER WENDT. Den Gott-sei-bei-uns aller halbwegs liberal gesinnter Menschen. Und den mutmaßlich einzigen Menschen, gegen den Fußballfans von Rostock über Köln bis München in trauter Eintracht demonstrieren würden, weil in einer Sache dann doch Einigkeit besteht: Dort, wo Wendt ist, endet die Vernunft. Es beginnt das Reich der Blöker, Krakeeler und Steil-Thesler, also all der Leute, die Talkshow-kompatibel sind, weil sie Grautöne nicht kennen, sondern nur schwarz oder weiß. Wendt kennt definitiv nur schwarz, vor allem, wenn es um Fußballfans geht.

»Wer ins Stadion geht, begibt sich in Lebensgefahr«, hat er mal behauptet. Was so richtig und so falsch ist wie die Behauptung, es sei lebensgefährlich einen Zoo zu besuchen. Zwar sind in Deutschland in den letzten Jahrzehnten weder Zoo-, noch Stadionbesucher gestorben, aber natürlich sind beides potenziell genauso lebensgefährliche Orte wie ein Straßenbahnwaggon oder das eigene Bett. Oder wie Wendt über Stadien sagt: »Es ist reiner Zufall, dass es noch keine Toten gegeben hat.« Genau. Zumal »Fußballfans, Rocker und Salafisten« seine »größten Sorgenkinder« sind. Ebenfalls nicht von der Hand zu weisen, auch wenn einem spontan jetzt nicht allzuviele von Rockern oder Fußballfans begangener Anschlag auf Weihnachtsmärkte, Rockkonzerte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung einfallen mag.

Wendt, der sich selbst für ein »lebhaftes, cleveres Kerlchen« hält und bei 1 Meter 68 Körpergröße zumindest in Sachen Verkleinerung recht hat, sorgte im vergangenen Jahr übrigens für Schlagzeilen, als die staunende Öffentlichkeit erfuhr, dass Wendt elf Jahre lang nicht einen Tag bei der Polizei gearbeitet, aber dennoch Bezüge erhalten hatte. Und weil er in Abwesenheit eben besonders wertvoll für den Apparat war, wurde er 2010 offenbar ohne Rechtsgrundlage auch noch befördert.

150 000 Euro verdiente Wendt sich im Aufsichtsrat der AXA-Versicherung dazu, deren Arbeit er fraglos durch enorme Kenntnisse im Versicherungswesen bereichert hat. Wie sang doch der Barde Jan Böhmermann einst so schön? »Du forderst Rechtsstaat und Moral, aber beides ist dir selber scheißegal.«

Doch das eigentlich Schlimme an Rainer Wendt ist nicht, dass er ein populistischer Scharfmacher ist. Das Schlimme ist, dass er ganz genau weiß, dass er hemmungslos übertreibt und die Themen, wegen derer er angefragt wird, zu Zwecken der Eigen-PR nutzt. 2015 forderte er einen Trump`schen Grenzzaun für Deutschland und rückte kurz wieder augenzwinkernd davon ab. Worum es dabei eigentlich ging, hat er in einem seltenen Anflug von Ehrlichkeit der »taz« gestanden: »Der Zaun brachte mir zwei Wochen Aufmerksamkeit. Zwei Wochen Aufmerksamkeit sind zwei Wochen Rederecht.«

Mit dem Rederecht ist es nun einstweilen vorbei. Staatssekretäre werden nicht dafür bezahlt, dass sie in Talkshows herumlümmeln. Sie werden fürs (im Idealfall nur einmal bezahlte) Arbeiten entlohnt. Es wird künftig also stiller werden um Rainer Wendt. Seine Bestellung zum Staatssekretär ist also definitiv eine gute Nachricht für den Fußball und für 15 von 16 Bundesländern. Eines hingegen hat Pech gehabt. So ist es halt im Leben: Einer ist immer Sachsen-Anhalt.