Gaskrieg nicht ausgeschlossen

Die USA verhängen wegen Nord Stream 2 Sanktionen, während Russland und die Ukraine über Gastransit streiten

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 4 Min.

Beim Normandie-Gipfel in Paris am Montag ging es nicht nur um die Lösungen für den Ostukraine-Krieg. Das erste bilaterale Treffen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin war auch dem Thema des Gastransits gewidmet. Der entsprechende Vertrag über den Transit über die Ukraine zwischen dem ukrainischen Energiekonzern Naftohas und dem russischen Giganten Gazprom läuft zum Jahresende aus, ein neuer Vertrag ist auch nach dem Pariser Gipfel nicht in Sicht.

Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben zwar an Gesprächen direkt teilgenommen, weil die Transitfrage offiziell zwischen der Ukraine, Russland und der EU verhandelt wird, doch mitgewirkt hätten sie jedenfalls nicht. »Wir sind einig geworden, dass wir weiter verhandeln müssen«, meinte der zum Management von Naftohas gehörende Jurij Witrenko in Paris. Der ukrainische Ministerpräsident Olexij Gontscharuk schloss gar im Nachhinein einen Gaskrieg mit Russland nicht aus.

Die Ukraine würde den Transitvertrag gerne gleich um zehn Jahre verlängern. Moskau hat vorerst mit der baldigen Eröffnung der die Ukraine und Polen umgehenden Gaspipeline Nord Stream 2 auf einen Einjahresvertrag bestanden. Russlands Präsident hatte immer wieder betont, dass Moskau nicht komplett auf den Transit über die Ukraine verzichten will.

Kurz vor dem Pariser Treffen kursierte schließlich das Gerücht, es läge ein Kompromissvertrag über drei Jahre vor, der jedes Jahr einen geringeren Transitumfang vorsähe. Gazprom hätte aber darauf bestanden, dass Naftohas ihre Klagen vor dem Schiedsgericht der Stockholmer Handelskammer zurückzieht. Das ukrainische Konzern hat dort bereits mehr als drei Milliarden US-Dollar zugesprochen bekommen, weil Gazprom durch den Bau von Nord Stream 2 den Transitvertrag mit der Ukraine verletzt hätte. Auch weitere Klagen der Ukraine versprechen Erfolg, weswegen es für die Ukraine eigentlich ungünstig wäre, diese zurückzuziehen - was Kiew offiziell auch nicht vorhat.

»Wir sprechen nicht mehr über einen einjährigen Vertrag«, sagt der ukrainische Präsident Selenskyj. »Wir werden uns hier irgendwo in der Mitte treffen - und haben bessere Chancen, eine konstruktive Einigung zu erzielen, als unsere Vorgänger.« Es ist aber bei weitem nicht sicher, dass der ukrainische Gastransit ab dem 1. Januar weitergeht. Die Verhandlungen werden erst auf dem letzten Drücker zu einer Einigung führen - wenn überhaupt. Während die Ukraine offiziell genug Gasreserven für den Winter hat, würde der plötzliche Stop des Transits die Energiesicherheit der EU gefährden. Die Ukraine kauft derzeit kein Gas in Russland direkt ein, auch wenn Russland Kiew derzeit einen 25-prozentigen Rabatt anbietet.

Nun kommen auch die USA ins Spiel, die mehr Flüssiggas nach Europa liefern wollen. Auch aus diesem Grund versucht Washington, die Eröffnung von Nord Stream 2 doch noch zu verhindern. Das US-Repräsentantenhaus hat nun Sanktionen im Zusammenhang mit der Pipeline auf den Weg gebracht. Die gleichen Sanktionen würden für TurkStream und Folgeprojekte der beiden Pipelines gelten. Das Außenministerium soll innerhalb von zwei Monaten berichten, welche Firmen Pipelines eingesetzt werden. Als Konsequenzen werden Einreiseverbote für die Manager dieser Firmen in die USA verhängt, auch Transaktionen der Betroffenen in den USA sollen gesperrt werden.

Dem Sanktionsgesetz soll noch der Senat zustimmen. Weil sowohl Demokraten als auch Republikaner trotz sonstiger Meinungsverschiedenheiten sich dafür einsetzen, wird erwartet, dass die Verabschiedung noch bis Ende der nächsten Woche erfolgt. In Wirklichkeit wird die Fertigstellung des Nord Stream 2, worauf man bei Naftohas in der Ukraine offiziell hofft, dadurch kaum noch verhindert - die Pipeline ist schon fast fertig. Dennoch ist es für Beteiligten, darunter auch für Deutschland, unangenehm. »Wir sollten auf dem Europa schädigenden Sanktionen mit Gegensanktionen antworten«, fordert gar der Chef der deutsch-russischen Auslandshandelskammer Matthias Schepp. »Berlin und Brüssel sollten eine klare politische Position beziehen.« Es ist dennoch kaum vorstellbar, dass die deutsche sowie die europäische Wirtschaft sich hinter den Sanktionen gegen die USA stellen würde.

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