Mehrheit glaubt an »Überfremdung«

Thüringer Landtag debattiert Thüringen Monitor / CDU zweifelt Ergebnisse an

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Ergebnisse des 19. Thüringen-Monitors sind ernüchternd. Die Zustimmung zu rechtsextremen und antisemitischen Thesen hat der aktuellsten Auflage der Langzeitstudie der Uni Jena zur »politischen Kultur im Freistaat Thüringen« zufolge erneut zugenommen.

Am Donnerstag diskutierten die Abgeordneten des Erfurter Landtags Schlussfolgerungen und Konsequenzen aus den Erkenntnissen des Berichts. CDU-Landes- und Fraktionschef Mike Mohring wies auf den Widerspruch hin, dass menschenfeindliche Einstellungen trotz der massiven öffentlichen Investitionen etwa in das »Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit« bei vielen Menschen unverändert fest verankert sind. Also müssten entweder die Ziele oder die Mittel der Projekte überdacht werden, forderte Mohring. Tatsächlich werden Sinn und Effektivität von Seminaren oder Exkursionen zur Demokratiebildung auch unter jenen geführt, die in der politischen oder außerschulischen Bildung arbeiten.

Laut Thüringen Monitor stimmten mit 90 Prozent der Befragten so viele wie noch nie seit Beginn der Langzeitstudie im Jahr 2000 der Aussage zu, »die Demokratie« sei »die beste aller Staatsideen«. Das waren erneut mehr als im Vorjahr, als 86 Prozent dies bejaht hatten.

Andererseits findet mehr als jeder Vierte, der Nationalsozialismus habe »auch seine guten Seiten« gehabt. Sogar mehr als 56 Prozent fanden die Aussage zutreffend, Deutschland sei »durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maße überfremdet«. 21 Prozent stimmten der Ansicht zu, im »nationalen Interesse« sei »unter bestimmten Umständen eine Diktatur die bessere Staatsform«.

In Bezug auf manche Studienergebnisse meldete CDU-Chef Mohring Zweifel an: Angesichts mancher der vorgegebenen Aussagen und mancher Schlussfolgerungen frage sich seine Fraktion, »ob da nicht über das Ziel hinausgearbeitet wird«, sagte er. Wenn etwa Bürger gefragt würden, ob sie fänden, in Zeiten wie diesen brauche das Land »eine starke Hand«, dann sei nicht eindeutig, dass sie eine Diktatur befürworten. Es könne auch sein, dass sie sich ein stärkeres Durchgreifen in Sachen Klimaschutz wünschten. In den vergangenen Jahren hatte nur die AfD die Aussagen der Studie in Zweifel gezogen.

Alle Landtagsfraktionen betonten, der Kampf gegen Antisemitismus müsse entschlossen geführt werden. Mehrere Abgeordnete machten für das Erstarken der Judenfeindlichkeit die AfD verantwortlich. In der Erhebung der Uni Jena stimmten 16 Prozent der Befragten der Aussage zu, Juden hätten »etwas Besonderes an sich« und passten »nicht so recht zu uns«. 2018 hatte dieser Wert bei neun Prozent. Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Stefan Möller, sagte, »wenn Antisemitismus zugenommen haben sollte, dann ist das zuwanderungsbedingt«.

Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) kündigte an, Thüringen werde den Schutz jüdischer Einrichtungen verstärken.

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