Neue Leichtigkeit

Die deutschen Handballer fahren nach dem 33:25 gegen Island mit einem guten Gefühl zur Europameisterschaft

  • Michael Wilkening, Mannheim
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor großen Turnieren gibt es Raum für Spekulationen. Oft werden Ergebnisse von Testpartien diskutiert und aktuelle Formentwicklungen einzelner Akteure oder des gesamten Teams daraus abgeleitet. Dabei geht es nicht um Resultate, sondern um Gefühle. Um das Gefühl, sportlich auf dem richtigen Weg zu sein - und um das Gefühl, die passende Gruppe beieinanderzuhaben. Die 60 Übungsminuten der deutschen Handballer gegen Island am Samstag in Mannheim verliefen deshalb zufriedenstellend, unabhängig vom klaren 33:25 (16:13)-Sieg der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB).

»Wir können mit einem guten Gefühl nach Wien fliegen«, sagte Johannes Bitter im Bauch der Mannheimer Arena. Der Oldie in der deutschen Mannschaft, der nach fünfeinhalb Jahren Pause sein Comeback in der Nationalmannschaft gegeben hatte, fühlte sich ohnehin besonders. Aber das gute Gefühl nach dem ersten von zwei Übungspartien vor dem Auftakt der Europameisterschaft spürte nicht nur der Torhüter des TVB Stuttgart. Vor dem zweiten Test am Montag (14.40 Uhr) in Wien gegen Österreich verstärkte sich der Eindruck der Gelassenheit, den die besten Handballer des Landes und ihr Trainer ausstrahlen.

Heim-WM 2027?

Der Deutsche Handballbund (DHB) hat seine Bewerbung für die Ausrichtung der Männer-Weltmeisterschaft 2027 eingereicht. Zudem bewerbe sich der DHB nun auch offiziell gemeinsam mit den Niederlanden als Gastgeber der Frauen-WM 2025, wie der DHB-Vorstandsvorsitzende Mark Schober am Samstag in Mannheim sagte: »Die Entscheidung darüber wird dann im Februar fallen, der genaue Termin ist noch nicht bekannt.« dpa/nd

Vor einem Jahr war das noch ganz anders, was viel damit zu tun hatte, dass der Druck bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land deutlich größer war. Und möglicherweise hängt das auch damit zusammen, dass Bundestrainer Christian Prokop nicht die besten deutschen Handballer um sich versammelt hat, sondern die besten derzeit einsetzbaren. Ohne die nicht einsatzfähigen Rückraumspieler Fabian Wiede, Martin Strobel, Franz Semper, Tim Suton und Steffen Weinhold fehlt viel Qualität im Kader und damit auch das Anspruchsdenken von außen. Das ist ein Grund für die Lockerheit, die um sich gegriffen hat. Es ist eine Lust auf das anstehende Großereignis zu spüren - die Gier auf Erfolg ist größer als die Angst vor dem Scheitern.

Das sind gute Voraussetzungen für erfolgreiche Wochen, die nach dem Übungsspiel in Wien mit der EM-Vorrunde im norwegischen Trondheim ihre Fortsetzung finden. Gegen die Außenseiter Niederlande (9.1.) und Lettland (13.1.) sowie zwischendurch gegen Titelverteidiger Spanien (11.1.) geht es für die Deutschen darum, sich für die Hauptrunde zu qualifizieren und eine gute Ausgangslage für die zweite Turnierphase zu schaffen.

Gegen die Isländer wurde angedeutet, wie das gelingen soll. »Wir waren in den Phasen gut, in denen wir mit einer defensiv agierenden Abwehr stabil standen und in den Gegenstoß kamen«, analysierte Bitter. Ganz offensichtlich liegt ein Hauptaugenmerk von Prokop darauf, das Tempospiel seiner Mannschaft weiterzuentwickeln. »Ich habe heute viele positive Dinge gesehen«, sagte Prokop, der seine Idee vom Handball Stück für Stück auf die Mannschaft übertragen möchte. Weil die den Weg mitgestalten kann und deshalb mitzieht, sind Erfolge auf dem Feld sichtbar.

Gleichzeitig wird offensichtlich, warum sich Prokop auf der Rechtsaußen-Position für Tobias Reichmann (MT Melsungen) und Timo Kastening (TSV Hannover-Burgdorf) und gegen Patrick Groetzki (Rhein-Neckar Löwen) entschieden hat. Die Geschwindigkeit von Reichmann und Kastening im Gegenstoß ist spektakulär, während die Stärken der langjährigen Stammkraft Groetzki in anderen Bereichen liegen. Die deutschen Handballer sollen in den kommenden Wochen mehr laufen, schneller laufen und dabei mutig sein. Als Vorbild dienen die Norweger, die das Tempospiel perfektioniert haben und gegen die die Deutschen im WM-Halbfinale vor knapp einem Jahr unterlegen waren.

Die in den Kader nachgerückten Rückraumspieler wie David Schmidt (TVB Stuttgart) oder Marian Michalczik (GWD Minden) passen in dieses Konzept. Das ist ein weiterer Grund dafür, warum die deutschen Handballer im Augenblick ein gutes Gefühl spüren. Entscheidend wird sein, dieses Empfinden während der EM aufrechterhalten zu können.

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