nd-aktuell.de / 31.01.2020 / Berlin / Seite 10

Schuften bis zur Sozialhilfe

Rentenreport für Berlin-Brandenburg vorgestellt / Sinkende Altersbezüge vor allem im Osten

Lola Zeller

Der vierte Rentenreport des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) für Berlin-Brandenburg enthält ernüchternde Zahlen: Im Vergleich zum durchschnittlichen Renteneinkommen sind die Altersbezüge für Neurentner deutlich niedriger. Die Absenkungen treffen die neuen Bundesländer stärker, obwohl dort das Renteneinkommen generell höher ist.

Im bundesweiten Vergleich sind im Osten zudem mehr Menschen abhängig von der gesetzlichen Rentenversicherung. Während im Schnitt rund ein Viertel der Menschen anderweitig versorgt ist, etwa durch Beamtenbezüge oder die Betriebliche Altersversorgung, sind es in den neuen Bundesländern nur drei Prozent.

Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2018, neuere Daten liegen noch nicht vor, hieß es am Donnerstag bei der Vorstellung des Rentenreports. DGB-Bezirksvorsitzender Christian Hoßbach fordert angesichts der sinkenden Renten politische Maßnahmen. »Die rentenpolitischen Rückschläge der Nullerjahre und der gewachsene Niedriglohnsektor schlagen sich jetzt nieder«, sagt Hoßbach. Die Grundrente müsse nun schnellstmöglich durchgesetzt werden, »und zwar ohne Aufweichung und Abstriche«.

Das sei auch deshalb besonders wichtig, weil nicht nur die Grundsicherungsquote gestiegen ist, also der Anteil an Menschen, die zusätzlich zur Rente noch Sozialleistungen beantragen müssen, sondern auch die Armutsgefährdungsquote. Diese gibt den Anteil der Älteren an, deren Einkommen unterhalb von 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt. »Viele nutzen ihren Anspruch auf Sozialhilfe nicht«, sagt Hoßbach. »Informiert euch über eure Rechtsansprüche und habt keine Scheu davor, die Sozialleistungen auch zu beantragen«, rät der DGB-Bezirksvorsitzende den Betroffenen.

Eine weitere Baustelle sei die bessere Absicherung für Solo-Selbstständige. »Das spielt besonders für die großen Städte und ganz besonders für Berlin eine große Rolle«, sagt Hoßbach. Viele der Solo-Selbstständigen hätten ein zu geringes Einkommen, um sich privat abzusichern. »Wir fordern da sehr stark eine obligatorische Regelung.«

Auch der Arbeitsmarkt hat laut DGB einen wichtigen Anteil an den niedrigen Renten. »Der Niedriglohnsektor muss zurückgedrängt werden«, fordert Hoßbach. Um Menschen wirksam finanziell abzusichern, müsse das Tarifvertragssystem gestärkt werden. »Wir fordern von der Politik Tariftreue-Regeln für öffentliche Aufträge und mehr allgemeinverbindliche Tarifverträge.«

Marianne Kellner ist Versicherungsälteste bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg. Die ehrenamtliche Rentenberaterin erlebt viele Menschen, die bei der Berechnung ihres Renteneinkommens finanzielle Ängste bekommen, berichtet sie am Donnerstag. »Wenn da zwei Minirenten zusammenkommen, sieht die Situation nicht rosig aus, vor allem in Anbetracht der aktuellen Mietpreise hier in Berlin«, sagt die Versicherungsälteste. Viele ihrer Kund*innen müsse sie daher an die zuständigen Sozialämter verweisen. »Die Scham, dorthin zu gehen, ist allerdings sehr groß«, weiß Kellner. Die Ehrenamtliche rät vor allem jüngeren Leuten, sich frühzeitig über die Themen Rente und Altersvorsorge Gedanken zu machen und sich beraten zu lassen.

Christian Hoßbach empfiehlt, sich vor dem Renteneintritt um ein gutes Arbeitsverhältnis zu bemühen. Zwar weiß auch der Gewerkschafter, dass viele Menschen gar nicht die Möglichkeit haben, auf Minijobs oder nicht-sozialsteuerpflichtige Einkommen zu verzichten. Dennoch betont Hoßbach, dass sich Arbeiter*innen aktiv für die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen einsetzen müssen, um im Alter finanziell abgesichert zu sein. »Die Botschaft ist: ›Verkauft euch nicht für jeden Preis‹«, so Hoßbach.