nd-aktuell.de / 14.02.2020 / Politik / Seite 4

Tränengas und Tritte gegen Rüstungsgegner

Videoaufnahmen zeigen Polizeigewalt nach Blockade der Zentrale des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Hessen

Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden

Nach Auseinandersetzungen mit Friedensaktivisten in der vergangenen Woche im hessischen Eschborn ermittelt die Polizei gegen einzelne Demonstranten unter anderem wegen versuchter Gefangenbefreiung und Körperverletzung. Allerdings sind mittlerweile auch Szenen öffentlich geworden, die zeigen, dass Polizeikräfte den Demonstranten heftige Tritte versetzen. Diese hat das Medienkollektiv Frankfurt in einem Film auf seiner Website und auf der Plattform Youtube dokumentiert. »Es werden zur Zeit ALLE, auch die polizeilichen Handlungsweisen geprüft und strafrechtlich bewertet. Dabei ist die zuständige Stelle für Amtsdelikte eingeschaltet«, erklärte die Polizei Westhessen auf Twitter.

In der Bürostadt Eschborn vor den Toren Frankfurts am Main hatten etwa 100 Aktivisten und Rüstungsgegner am Dienstag vergangener Woche kurz nach acht Uhr die Zentrale des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) blockiert. Während ein Teil der Demonstranten Haupteingang und Foyer des Bürogebäudes besetzte, klärten andere die Passanten über ihr Anliegen auf und unterstrichen die Forderung nach Beendigung sämtlicher Exporte von Rüstungsgütern. So hätten viele Menschen einen »Aha-Effekt« erlebt, weil ihnen nicht bewusst gewesen sei, dass die Genehmigung von Rüstungsexporten zu den zentralen Aufgaben des BAFA gehört. »Dass nur knapp ein Prozent der Anträge angelehnt wird, hat viele überrascht«, berichtet Kampagnensprecherin Cora Mohr auf Anfrage des »nd«.

Die Aktion fand bundesweit und international ein starkes Medienecho. Im Laufe des Vormittags rief die örtliche Polizei starke Einsatzkräfte aus Frankfurt herbei. Einen Antrag auf Räumung oder eine Anzeige habe die BAFA-Leitung nach ihren Informationen nicht gestellt, so Mohr. Gegen 13.45 habe man sich zur Beendigung der Aktion und gemeinsamen Abreise entschieden. Der Einsatzleiter habe der Demonstrationsleitung zunächst einen unbehelligten Rückzug zum nahen S-Bahnhof Eschborn-Süd versprochen. »Diese Zusicherungen wurden von seinen Einsatzkräften nicht eingehalten«, so Mohr. »Der Mann hatte seine Untergebenen offenbar nicht im Griff.«

Entgegen allen Absprachen hätten die anwesenden Polizisten auf Eskalation gesetzt und grundlose Übergriffe gestartet. »Es wurde Pfefferspray eingesetzt und versucht, die Demonstranten mit Schlägen und Tritten an der friedlichen Abreise zu hindern.« Am Bahnhof habe es dann statt unbehelligter Abreise einen längeren unkontrollierten Polizeiübergriff gegeben. Der Einsatzleiter sei dabei nicht erreichbar gewesen, so Mohr. Polizeibeamte seien in eine voll besetzte S-Bahn eingedrungen, hätten Pfefferspray eingesetzt und vorübergehend zwei Personen zur Aufnahme der Personalien festgenommen.

Für Cora Mohr haben die Szenen am Bahnsteig tiefere Ursachen. »Die Frankfurter Polizei hat ein massives Problem mit Rechten und Nazis in den eigenen Reihen. Diese lassen keine Gelegenheit aus, um gegen linke Rüstungsgegner Gewalt auszuüben«, so ihre Überzeugung. Sie verwies auf laufende Verfahren gegen 38 Beamte »wegen rechtsextremer Umtriebe«. Dabei handele es sich nicht um Einzelfälle, sondern um »eine Reihe von Ereignissen, die Probleme mit Rechtsextremismus und Gewaltmissbrauch der hessischen Polizei aufzeigen«, so Mohr.