Die große Bühne fehlt

Deutschlands Fußballerinnen wollen mehr Aufmerksamkeit. Beim Algarve Cup gibt’s die nicht

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.

Jeden Werktag stimmt sich inzwischen eine Koordinierungsgruppe beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) über die neueste Entwicklung zum Coronavirus ab. Alle Auslandsreisen der Mannschaften und Mitarbeiter stehen auf dem Prüfstand. Grünes Licht gab es am Montag für die Frauen-Nationalmannschaft, die von Frankfurt am Main nach Faro zum diesjährigen Algarve-Cup (4. bis 11. März) abflog - anders als bei der weiblichen U20-Auswahl, deren Freundschaftsspielreise nach Japan vorsorglich abgesagt wurde.

»Das Risiko scheint aktuell äußerst gering, so dass man vielleicht eher die Portugiesen fragen müsste, ob sie in der Einreise der deutschen Mannschaft ein Risiko sehen«, sagte Tim Meyer als Leiter der Medizinischen Kommission. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg fügte mit einem Augenzwinkern an: »Wir haben das Glück, dass wir per Charter reisen, da haben wir nicht so viele fremde Menschen um uns herum.« Und auch für überbordende Zuschauermassen ist das traditionelle Testturnier im Süden Europas nicht bekannt, selbst wenn es mit dem Klassiker Deutschland gegen Schweden an diesem Mittwoch startet.

Es ist das erste Aufeinandertreffen der beiden Teams, nachdem die Skandinavierinnen bei der WM 2019 im französischen Rennes im Viertelfinale (1:2) das Stoppschild für die Deutschen aufstellten. Doch diesen Aspekt spielt die Bundestrainerin herunter. »Eine Revanche ist nicht relevant. Wir waren seit November nicht mehr zusammen, haben vor dem Spiel auch nur eine gemeinsame Trainingseinheit«, legte sie den Fokus auf interne Trainingsprozesse.

Dänemark oder Norwegen werden am Sonnabend zweiter Gegner sein, es folgt ein Platzierungsspiel oder bestenfalls das Endspiel des erstmals im Playoff-Modus geführten Turniers. Voss-Tecklenburg will »eine hohe Spielqualität sehen, neue taktische Varianten probieren und möglichst viele Spielerinnen einsetzen«. Die Resultate seien zweitrangig.

2020 ist für die Trainerin ein schwieriges Jahr: Der DFB will 50 Jahre nach Aufhebung des Frauenfußballverbots im eigenen Hause eigentlich Flagge zeigen. Der auch für die Nationalmannschaften der Frauen zuständige Direktor Oliver Bierhoff sprach kürzlich von der Notwendigkeit, zurück in die Weltspitze zu gelangen. »Es hat ja lange keiner wahrhaben wollen, dass die anderen Nationen aufgeholt haben.« Gleichzeitig gilt es, etwa die rückläufigen Zahlen kickender Frauen und Mädchen im DFB zu bekämpfen. Die Bundestrainerin tut, was sie kann. »Wir versuchen weiter, an der Basis präsent zu sein und auf uns aufmerksam zu machen«, verspricht die 52-Jährige. »Unser sportlicher Auftrag ist es, den Leuten Lust auf uns zu machen und junge Mädchen anzusprechen.«

Mit der vermasselten Olympiaqualifikation fehlt ihrem Team in diesem Sommer aber eine wichtige Bühne. Nun sollen ihre besten Talente wie Lena Oberdorf, Klara Bühl, Lea Schüller oder Giulia Gwinn, die teilweise schon zu Leistungsträgerinnen aufgestiegen sind, bei der U20-WM in Costa-Rica mitspielen, um internationale Erfahrung einzusammeln. Am Ende des Jahres, so der Plan, steht im Hinblick auf die EM 2021 in England ein Gerüst von acht bis neun Spielerinnen. Gesetzt sind bereits Torhüterin Merle Frohms als neue Nummer eins für die schwangere Almuth Schult, die mittlerweile volljährige Oberdorf als Abwehrchefin oder auch das Mittelfeldtrio Lena Magull, Dzsenifer Marozsan und Sara Däbritz. »Wir haben gute Typen«, versichert die Trainerin.

Früher spielten beim Algarve-Cup auch Topnationen wie der Trendsetter USA mit Weltfußballerin und Vorkämpferin Megan Rapinoe. Doch der Weltmeister veranstaltet seit 2016 sein eigenes Einladungsturnier, den SheBelieves Cup, an dem auch Deutschland bis 2018 teilnahm. Frankreich hat jetzt erstmals das Format »Tournoi de France« mit Europameister Niederlande auf die Beine gestellt, um die Euphorie von der letztjährigen WM im eigenen Land nachhaltig zu nutzen.

Voss-Tecklenburg war davon schlicht »überrascht«, und in die USA wollte sie wegen der Reisestrapazen nicht. Also nehmen die eigentlich nach mehr Aufmerksamkeit lechzenden DFB-Frauen die eher provinziell anmutende Bühne in den portugiesischen Spielorten Faro und Parchal in Kauf. Trotz intensiver Bemühungen, teilte der DFB am Montag mit, ließ sich kein deutscher Fernsehsender finden, der die Spiele überträgt. Wegen technischer Probleme kommt nicht einmal beim verbandseigenen DFB-TV eine Übertragung zustande.

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