nd-aktuell.de / 20.03.2020 / Kultur / Seite 11

Die Klositten sind so eisern wie die Bürokratie

Kampfstern Corona (Teil 1)

Bahareh Ebrahimi

Es sind verrückte Zeiten, wenn die Hauptbeschäftigung der Menschen neben der Diskussion der Entwicklung der Pandemie in der Jagd nach Klopapier besteht. Eine gute Gelegenheit, einmal über unsere Klositten nachzudenken. Warum wurde ausgerechnet das Toilettenpapier in dieser Krise so wichtig? Weil wir extrem modernen Menschen auf die Sauberkeit unseres Gesäßes besonders Wert legen? »Sauberkeit« und »Hygiene« - das sind die Begriffe der Stunde. Eine Frage: Macht Klopapier überhaupt sauber?

Die Situation nach dem Stuhlgang: Der besonders beschäftigte moderne Mensch wischt sich den Po nach dem Verrichten seines Geschäftes mit einem Stück Klopapier drei Sekunden ab, fertig ist die Sache. Er ist wieder frisch (?) und bereit, sich mit größeren Geschäften zu beschäftigen. Der besonders obsessive Mensch wiederholt diesen Akt so lange, bis es wehtut. Für ihn ist der Schmerz ein Zeichen der Sauberkeit. Doch mit welcher Zauberkunst dieses trockene Klopapier die Fäkalien wegzaubert und -säubert, ist uns Wurst. Denn das ist unsere Klokultur, das machen wir seit Jahrzehnten so.

Nicht alle finden diese Art des trockenen Wegwischens angenehm und auch nicht hygienisch. Insbesondere nicht im sogenannten Nahen und Fernen Osten.

Um das zu verstehen, sollte man sich einmal vorstellen, dass man morgens sein Gesicht nur noch mit einem Stück Klopapier wischt - wird es dadurch sauber? Komisch, dass man dieses Körperteil, das eigentlich keine Ausscheidungen produziert, eher mit Wasser wäscht!

In diesen anderen Ländern wird für die Sauberkeit des Unterkörpers ebenfalls unbedingt Wasser benutzt. Hierzulande kennt man ja eher das Bidet aus dem Urlaub in Italien oder Frankreich. In der weiten Welt aber gibt es noch andere Innovationen. Im Iran etwa ist immer ein Wasserschlauch neben der Toilette zu finden. Klopapier ist dort nur zum Trocknen gedacht. In Japan wiederum gibt es im WC eine Gesäßdusche, sogar einen Gesäßföhn, da braucht man gar kein Toilettenpapier mehr. Das ist nicht nur hygienisch, sondern auch umweltfreundlich. Das Klopapier, das nur zum Trocknen benutzt wird, landet dann nicht in der Toilette, sondern im Papierkorb. (Es ist ja nicht mit dem Stuhl beschmutzt worden!). Auf diese Weise muss nicht permanent ein Haufen Klopapier in der Toilette weggespült werden, was die Umwelt belastet.

Viele Menschen mit anderen Klositten, die in Deutschland leben und sich zu Hause etwa keinen Wasserschlauch neben der Toilette installieren lassen können, benutzen stattdessen eine kleine Gießkanne mit Wasser zum Saubermachen. Und wenn es kein Klopapier mehr gibt, kann man sein eigenes Handtuch zum Trocknen verwenden. Also so essenziell ist das Klopapier gar nicht, vor allem nicht für eine Quarantäne, dass manche deswegen durchdrehen müssten.

Ja, die Klositten sind in Deutschland eisern wie die Bürokratie, kaum zu denken, dass es auch anders geht. Bevor man nun beleidigt schimpft »Die Ausländer nehmen uns unsere Scheiß-Kultur weg!« und sich morgens kurz vor dem Öffnen des Geschäfts wegen des Klopapiers anstellt und dann im Laden einander schubst, um die letzte Packung im Regal wegzuhamstern, könnte man mal die Methode mit der Gießkanne probieren, zumindest in dieser Corona-Zeit, wenn man sowieso in seiner Wohnung bleiben muss - öffentliche Toiletten kann man ja nicht so schnell ändern.

Apropos öffentliche Toiletten: Über die besonders hygienische Hocktoilette, ja das einfache Loch, wird man dann reden, wenn das nächste Virus auftaucht, das schon durch die Berührung mit der Klobrille bei einem ist.

Also, bis dann.