nd-aktuell.de / 20.03.2020 / Kommentare / Seite 6

Mit Prävention gegen die Klimakrise

Für Anke Herold (Öko-Institut) ist die Corona-Pandemie eine Lektion über die Bedeutung frühzeitigen Handelns

Anke Herold

Nach einem weiteren Tag mit drastisch steigenden Infektionszahlen durch das Coronavirus in Europa kann ich mich auch beim Schreiben dieser Klimakolumne nicht von diesem Thema lösen. Wie wird sich die Corona-Pandemie auf die Klimakrise auswirken? Und können wir aus der einen akuten Krise Lehren für die andere ableiten?

Zunächst wird die Bundesregierung wie auch die anderen europäischen Länder finanzielle Unterstützung in nie dagewesenem Ausmaß für Unternehmen, Selbstständige und Arbeitnehmer bereitstellen, deren Existenzen durch den Stillstand des öffentlichen Lebens bedroht sind. Die schwarze Null ist plötzlich kein Tabu mehr und das ist auch richtig so. Allerdings werden nach diesen milliardenschweren Hilfspaketen die öffentlichen Kassen nicht mehr gut gefüllt, sondern leer sein und der Staat neu verschuldet. Finanzmittel für Investitionen und Förderprogramme für den Klimaschutz werden in den kommenden Jahren dann knapp sein.

Doch wir brauchen erhebliche Mittel für den Klimaschutz für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, die Gebäudesanierung, den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze, für Strukturhilfen parallel zum Kohleausstieg oder die Klimaanpassung. Eine grundlegende Transformation mit leeren Kassen und verschuldeten Staaten wird eine ungleich höhere Herausforderung sein. Die Konjunkturpakete, die nun geschnürt werden, müssten daher auch gleichzeitig Klimaschutzpakete sein und die richtigen, klimapolitisch nachhaltigen Investitionen fördern. Aber das wird nicht einfach werden, wenn es gerade auch darauf ankommt, dass Finanzmittel schnell und unbürokratisch an die Leidtragenden der Corona-Pandemie fließen.

In der Erholungsphase danach wird es nicht unwahrscheinlich sein, dass die Politik vor zusätzlichen Klimaschutzmaßnahmen für die Wirtschaft mehr als 1,5 Meter Sicherheitsabstand halten wird, diese nur als zusätzliche Belastungen brandmarkt und nicht als vorsorgendes Handeln gegen die nächste Krise. Die ersten Stimmen in dieser Richtung waren in dieser Woche schon aus den östlichen EU-Nachbarstaaten zu vernehmen: Janusz Kowalski, Staatssekretär im polnischen Ministerium für Staatsvermögen, forderte, das EU-Emissionshandelssystem abzuschaffen, oder zumindest solle Polen aussteigen dürfen. Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš forderte die angekündigten Finanzmittel von einer Billion Euro für den europäischen Green Deal »zu vergessen« und stattdessen den Fokus auf das Coronavirus zu legen.

Kurzfristig werden durch den ökonomischen Stillstand die Emissionen für das Jahr 2020 sinken, vor allem im Bereich der industriellen Treibhausgasemissionen und im Flugverkehr. Der Rückgang der industriellen Emissionen könnte zu einem neuen Überschuss an Zertifikaten im europäischen Emissionshandel führen, so dass die Industrie in den folgenden Jahren keine weiteren Minderungsmaßnahmen ergreifen muss. Zwar wurde gerade eine neue Marktstabilitätsreserve eingeführt, die den bereits bestehenden Überschuss an Zertifikaten abbauen soll. Diese ist jedoch nicht auf die Dimension eines drastischen Emissionsrückgangs durch die Corona-Pandemie ausgelegt. Am Mittwoch fiel der CO2-Preis im EU-Emissionshandel bereits auf 16 Euro, während er 2019 im Mittel bei 25 Euro lag. Nachdem der CO2-Preis im Emissionshandel endlich eine Lenkungswirkung zeigte und beispielsweise Kohlestrom deutlich unwirtschaftlicher gemacht hat, wird es zusätzliche Eingriffe in diesen Mechanismus brauchen, um diese Wirkung zu erhalten.

Doch aus der aktuellen Krise können wir auch wichtige Lehren ziehen: Bei der Eindämmung der Corona-Pandemie scheinen derzeit Singapur, Taiwan oder Südkorea vergleichsweise erfolgreich zu sein, die alle aus dem Umgang mit dem Sars-Virus gelernt und erfolgreich Präventionsmaßnahmen umgesetzt haben, die es beispielsweise erlaubten, die Testkapazitäten für Infizierte sehr schnell zu erhöhen. Corona lehrt uns, was das wichtigste Mittel der Krisenbekämpfung ist: präventiv denken, frühzeitig handeln und nicht erst, wenn man mitten in der Krise steckt und auch drastische Maßnahmen zu spät kommen.

Das gilt ganz genauso für die Klimakrise. Es bleibt zu hoffen, dass wir zumindest diese Botschaft nun endlich verstehen und künftig auch umsetzen - dann hätten wir die Krise tatsächlich als Chance genutzt.