nd-aktuell.de / 20.03.2020 / Politik / Seite 1

Erstmals Verbot von Reichsbürger-Gruppe

Razzien in zehn Ländern / Bund: Rechtsextremismus wird auch in Krisenzeiten bekämpft

Sebastian Bähr

Sie forderten eine »Inhaftierung« mehrerer Politiker, auch »Strafgebühren« und »Sippenhaft« sollte es geben. Die BRD sei schließlich nur »ein Handelskonstrukt«, der »Naturstaat« dagegen die höchste Staatsform. Reichsbürger der Kleingruppe »Geeinte deutsche Völker und Stämme« verschickten regelmäßig aggressive Schreiben mit solcherlei obskuren Ansichten und unverhohlenen Drohungen an öffentliche Repräsentanten.

Damit ist nun Schluss. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat am Donnerstag den Verein - und damit erstmals eine Reichsbürger-Guppierung - verboten. Rund 400 Polizeibeamte durchsuchten in den Morgenstunden die Wohnungen führender Mitglieder der Gruppe und ihrer Teilorganisation »Osnabrücker Landmark« in zehn Bundesländern. »Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus werden auch in Krisenzeiten bekämpft«, erklärte der Sprecher des Ministeriums, Steve Alter.

Die Mitglieder des Vereins »bringen durch Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus ihre Intoleranz gegenüber der Demokratie deutlich zum Ausdruck«, hieß es auch aus dem Bundesinnenministerium. In den vergangenen Jahren sei die Gruppierung durch »verbalaggressive Schreiben« aufgefallen.

Schwerpunkt der Gruppe »Geeinte deutsche Völker und Stämme« war Berlin. So versuchte sie zum Beispiel, das Rathaus im Bezirk Zehlendorf zu »übernehmen«. Laut Polizei setzten sich ihre Mitglieder zudem für eine vorzeitige Haftentlassung des wegen Volksverhetzung verurteilten Holocaust-Leugners Horst Mahler ein. Rund 120 Personen werden der Vereinigung zugerechnet.

In Sachsen gab es laut Innenministerium Durchsuchungen von Objekten in Dresden und Dohna. Sie betrafen eine 58 Jahre alte Frau und einen 55-jährigen Mann. Kerstin Köditz, Expertin der Linkspartei im Landtag für extreme Rechte, sprach von einem »konsequenten und überfälligen Schritt«. »Meines Wissens hatte die Anführerin Heike W. in der Vergangenheit auch in Sachsen ›Seminare‹ angeboten, um ihre kruden Thesen zu verbreiten. Auf deren Grundlage haben hiesige Reichsbürger unter anderem einen ›Naturstaat Sachsen‹ ausgerufen und die Städte Dresden und Radebeul für sich reklamiert.«

Bundesweit soll es nach Angaben des Verfassungsschutzes rund 19 000 Mitglieder dieser Szene geben. Der Bund Deutscher Gerichtsvollzieher ging 2016 sogar von 40 000 Anhängern aus. Ende 2019 hatten nach Medienberichten rund 530 Reichsbürger eine Waffenbesitzerlaubnis.

Die fragmentierte Szene eint, dass sie die Bundesrepublik für »illegal« ansieht und stattdessen versucht, pseudostaatliche Strukturen aufzubauen. »Die Ideologie der Reichsbürger nimmt zunehmend die Rolle einer rechten Krisenideologie ein«, schrieb das Antifa-Fachmagazin »Der rechte Rand« in einer Analyse. Mit Agenturen