nd-aktuell.de / 21.03.2020 / Politik / Seite 5

Ausgangssperre schafft Probleme

Es gibt gute Gründe, warum Behörden und Politik zögern

Ulrike Henning

Ausgangssperre ja oder nein, jetzt oder nächste Woche, als Ländersache oder bundesweit? Bis Freitag war eine solch radikale Distanzierungsmaßnahme nicht flächendeckend verordnet worden. Nur Freiburg im Breisgau in eingeschränkter Form und drei Orte in Bayern griffen bereits zu diesem Mittel, um die Ansteckungsketten mit dem neuartigen Coronavirus zu unterbrechen. Für Sonntag will Kanzlerin Angela Merkel per Telefonkonferenz mit den Ministerpräsidenten der Länder darüber beraten. Die Bundesregierung äußerte sich bisher zurückhaltend. Der Tenor: Erst wenn sich Menschen trotz vielfacher Appelle seitens Politik und Experten weiter in größeren Gruppen und über ihre Kernfamilien hinaus treffen, kämen solche Eingriffe ins gesellschaftliche Leben infrage. Eine solche Sperre solle eher vermieden werden, so Kanzleramtsminister Helge Braun im »Spiegel«.

Indes will Baden-Württemberg als erstes Bundesland zu härteren Maßnahmen greifen. Vorbereitet werde ein Verbot von Menschenansammlungen auf öffentlichen Plätzen, hieß es am Freitag. Die Stadt Leverkusen untersagte ebenfalls Zusammenkünfte von zwei oder mehr Personen unter freiem Himmel, nahm Menschen, die zusammenleben, davon aber aus. Bayern und das Saarland kündigten jetzt schärfere Ausgangsbeschränkungen an. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller sieht eine Ausgangssperre nicht als »Allheilmittel«. Er appellierte weiter an die Vernunft jedes Einzelnen. Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund lehnt flächendeckende Ausgangsbeschränkungen ab. Aufklärung und Belehrung sollten im Vordergrund stehen.

Das Wort Ausgangssperre findet sich weder in einem Gesetz noch im Grundgesetz. Lediglich im Infektionsschutzgesetz heißt es in Paragraf 28: »Die zuständige Behörde kann Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind.« Das Zögern von Behörden und Politik hat mehrere Gründe. Mit am schwersten dürfte wiegen, dass damit die Grundrechte der Freiheit der Person oder der Versammlungsfreiheit eingeschränkt werden. Außerdem bindet die Durchsetzung einer Ausgangssperre viele Ressourcen. Auch würde die Umsetzung von Ausnahmen von der Ausgangssperre Nerven und Personal kosten. Schließlich würde dies nur von der Hauptaufgabe ablenken: die Weiterverbreitung von Sars-Cov-2 einzudämmen, Risikogruppen zu schützen sowie Gesundheitspersonal und Kliniken vor Überlastung zu bewahren.