nd-aktuell.de / 31.03.2020 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Plötzlich für Eurobonds

BDI-nahes Institut fordert Solidarität der EU-Staaten

Guido Speckmann

Hamburg. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hält sogenannte Corona-Bonds für das beste Instrument zur Bekämpfung der ökonomischen Folgen der Covid-19-Pandemie. Dies geht aus einem am Montag veröffentlichten Kurzbericht vor. Die Wirtschaftsforscher widersprechen damit Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die gemeinsame Anleihen der EU-Staaten als Vergemeinschaftung der Schulden kritisiert und stattdessen auf Kredite aus dem Eurorettungsschirm ESM setzt. In der Eurokrise hatte das IW Eurobonds selbst noch abgelehnt.

Das dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) nahestehende Institut vergleicht in dem neuen Papier verschiedene Hilfsinstrumente für besonders von der Coronakrise betroffene Staaten. Sie sind bereits hoch verschuldet und müssen derzeit mit höheren Zinslasten rechnen. Beides könnte in der Zukunft die Staatshaushalte enorm unter Druck setzen.

»Der Einsatz vorsorglicher Kreditlinien des ESM ist unter den gegebenen Bedingungen sehr pro-blematisch, weil diese Kreditlinien nur kurze Laufzeiten haben und bald zurückgezahlt werden müssen«, kritisiert IW-Autor Jürgen Matthes die von Merkel favorisierte Hilfe in der »Welt«. Dies gefährde die langfristige Tragfähigkeit der Staatsfinanzen betroffener Staaten. Anders verhält es sich laut den Ökonomen mit Corona-Bonds. Diese sehen langfristige Kredite vor und würden durch ein »implizites Transferelement« die Staaten entlasten. Denn die Inflation verringere das real aufzubringende Rückzahlungsvolumen, und der Wertverlust würde auf den Finanzmarkt abgewälzt.

Einen Vorteil für die Corona-Bonds sehen die IW-Forscher auch in der Frage, ob die Mittel ausreichen. Hier wäre ein Volumen von einer Billion Euro möglich, während es beim ESM 410 Milliarden sind. Vorschläge, den ESM durch eine zusätzliche Kreditlinie aufzustocken, stoßen indes auf Ablehnung in der Eurogruppe, die für den ESM zuständig ist.

Butterwegge fordert Corona-Rettungsschirm für »Allerärmste«
Kölner Wissenschaftler: Regelbedarfs-Sätze von Hartz-IV-Empfängern um mindestens 100 Euro erhöhen[1]

Hauptnachteil der Corona-Bonds: Sie müssen politisch gewollt sein. Die deutsche Regierung müsste nun die Vergemeinschaftung von Schulden ausnahmsweise akzeptieren. Die klare Empfehlung der IW-Forscher: »Das sollte Deutschland tun, um mit den besonders betroffenen Staaten umfassende Solidarität zu üben und Europa zusammenzuhalten.« Guido Speckmann

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1134958.corona-und-soziale-folgen-butterwegge-fordert-corona-rettungsschirm-fuer-alleraermste.html