Die Robin Hoods von der Elbe

Die »prekären Superhelden« klauen in Nobelschuppen - um ihre Beute anschließend zu verteilen

  • Guido Sprügel
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Sie plündern das Büffet im Edelrestaurant und bedienen sich kostümiert im Feinkostladen, um die Beute an die Armen zu verteilen. Jetzt ist ein Mitglied der Hamburger Gruppe »Prekäre Superhelden« verurteilt worden.

Für die einen sind sie die Rächer der Armen, für die anderen einfach nur die »Klau-Chaoten« (Bild Hamburg) - für helle Aufregung sorgt die Gruppe »Prekäre Superhelden« seit nunmehr zwei Jahren allemal in Hamburg. Begonnen hat alles am 1. Mai 2005, als eine Gruppe verkleideter Aktivisten das Frühstücksbüffet eines Blankeneser Nobelrestaurants plünderte. Unter dem Motto »Die fetten Jahre sind vorbei« aß die Gruppe in wenigen Minuten den teuren Kaviar und weitere Delikatessen auf. Die herbeigerufene Polizei konnte niemanden mehr dingfest machen - so schnell waren die Kostümierten wieder verschwunden. Der jüngste Coup der Gruppe »Prekäre Superhelden« ereignete sich dann im April vergangenen Jahres. Als Comic-Superhelden verkleidet, wurde das Goedeken Frischeparadies an der Großen Elbstraße heimgesucht. Sekundenschnell füllten die »Superhelden« ihre mitgebrachten Taschen mit Delikatessen im Wert von rund 1500 Euro und verschwanden ebenso schnell, wie sie gekommen waren. Aber nicht, ohne der verdutzten Kassiererin einen Blumenstrauß mit einem Bekennerschreiben in die Hand zu drücken. »Ob als vollvernetzte Dauerpraktikantin, Callcenterangel, aufenthaltslose Putzfrau oder Ein-Euro-Jobber: Ohne die Fähigkeiten von Superhelden ist ein Überleben in der Stadt der Millionäre nicht möglich«, erklärte die Gruppe ihre Motivation. Die Polizei kam auch zu diesem Coup zu spät und traf nur noch den perplexen Marktleiter an. Die Beute verteilten die modernen Robin Hoods dann an Ein-Euro-Jobber, Kita-Erzieherinnen und Praktikanten. Und in der Tat stellte die Polizei in einer Kita am Tag darauf Edel-Schokolade und Champagner sicher. Die Medien stürzten sich mitunter begeistert auf die »Superhelden«. Bis nach Japan und Großbritannien wehte die Kunde von den »German Robin Hoods« (Guardian). Doch die Polizei und der Staatsschutz sahen in der Gruppe von Anfang an keine harmlosen Spaßmacher. Ende Mai 2006 zogen dann zehn Mannschaftswagen der Hamburger Polizei vor dem »Buttclub« in der Hamburger Hafenstraße auf und stürmten das Treffen der Gruppe »Hamburg umsonst«, die sich im Rahmen des »Euromayday« gegen die prekären Lebensbedingungen in vermeintlich reichen Ländern wendet. Dort trafen die Ermittler auch auf die Studentin Irene H. (30), die sie anhand ihres Pferdeschwanzes als Mitglied der »Superhelden« ausmachten. Die Staatsschützer hatten die Fotos der Aktion, von den »Superhelden« bei indymedia veröffentlicht, analysiert und trotz Maskierung den Pferdeschwanz von Irene H. wiedererkannt. »Die haben einfach irgendwen herausgegriffen, auf den das Profil passte«, so Irene H. gegenüber der Presse. Anfang Februar dieses Jahres erhielt sie dann den Strafbefehl: gemeinschaftlicher Diebstahl, so lautete die Anklage. Zum Prozessende im Juni vor dem Amtsgericht Hamburg-Altona waren die »Superhelden« wieder verkleidet und mit »Peng!«, »Prekär was guckst du?«-Schildern zum Gericht gekommen. Ein Aktivist rief zu Beginn des Prozesses »Wir eröffnen das Verfahren gegen die Ungerechtigkeit in der Welt und in Hamburg!« Die Beweislage gegen Irene H. war während des gesamten Prozesses sehr dünn. Sie selbst schwieg zu den Anschuldigungen. Und auch die Frischeparadies-Mitarbeiterinnen konnten die Täterin nicht eindeutig zuordnen, trugen doch mehrere Aktivistinnen einen Pferdeschwanz. Die Staatsanwaltschaft argumentierte, auf dem Laptop der Beschuldigten seien Texte mit dem Wort »prekär« gefunden worden, also sei es wahrscheinlich, dass Irene H. die Urheberin des Bekennerschreibens sei. Für die Anwältin Gabriele Heinecke ein Unding. Den Tatbestand »Diebstahl in Sympathisantenschaft« gebe es schlicht und ergreifend nicht. Trotz der dünnen Beweislage verurteilte Amtsrichter Nils Werner die Studentin zu einer Geldstrafe von 750 Euro. Irene H. künd...

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