Mit Corona gegen den Rundfunk

In Österreich läuft das Virus der rechtspopulistischen FPÖ den medialen Rang ab

  • Stefan Schocher, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.

Still ist es geworden um das rechte Lager des Landes. Was aber eines nicht bedeutet: Dass sich da nichts tut. Während die Massenmedien voll sind mit Corona und sich Sondersendung an Sondersendung reiht, kommen sie derzeit kaum vor: Hans-Christian Strache, Norbert Hofer, Herbert Kickl & Co. Die einstmals und aktuell führenden Köpfe des rechtspopulistischen Lagers in Österreich waren vor der Coronakrise vor allem damit beschäftigt, einander gegenseitig ans Bein zu pinkeln.

Das tun sie jetzt nicht mehr so breitenwirksam. Dafür tun sie sich mit einfallsreichen Erklärungsmodellen hervor, Verbesserungsvorschlägen, Kritikpunkten und Alternativmaßnahmen. Da forderte etwa Scharfmacher Kickl - nebst Weichspüler Hofer die wutschäumende Nummer Zwei an der Spitze der FPÖ - den Waffeneinsatz gegen »illegale Migranten« angesichts der Eskalation an der griechisch-türkischen Grenze. Hofer sorgte zeitgleich mit einem Video für Lacher, in dem er ein rechtliches Schlupfloch zur Umgehung der Rundfunkgebühr erklärte - stolz vor seinem Flachbildfernseher stehend.

In Österreich geht pro TV- und Radiogerät im Haushalt eine Gebühr an den öffentlich rechtlichen Rundfunk ORF. Die FPÖ hat diese Gebühren immer wieder kritisiert - durchaus mit einer gewissen Resonanz. Ungeschickt gewählt war allerdings der Zeitpunkt von Hofers Video: Gerade in der Coronakrise machte der ORF eine wirklich gute Figur, während die privaten Kanäle eher durch einen Sensationswettlauf auffielen.

Die FPÖ und ihr abtrünniger Ex-Chef Strache tun sich sichtlich schwer. Kritik an den Maßnahmen der Regierung (zu spät, zu wenig, zu weich, Persönlichkeitsrechte verletzend) verhallt. Es drängt sich der Eindruck auf, als sei es der pure Neid, der vor allem Ex-Innenminister Kickls Zorneswogen anstachelt.

Die Ausgangssperre, der mögliche Einsatz von Big-Data, die Einberufung der Miliz zur Erfüllung von Polizeiaufgaben während der Exekutive in der Bevölkerung breit gehuldigt wird. All das ist derzeit österreichische Realität - und klingt wie der feuchte Traum eines Politikers von Zuschnitt Kickls. Dessen großes, lange verfolgtes aber nie erfülltes Projekt als Innenminister war die berittene Polizei. Und was ihm noch mehr - auch juristisch - anhängt, ist die in seinen Verantwortungsbereich fallende Razzia einer Polizeieinheit zur Bekämpfung von Straßenkriminalität beim Geheimdienst BVT.

Doch Obacht: Kickl, Hofer, Strache & Co. haben ihr Publikum. Dieses überschlägt sich gerade in den selbst geschaffenen Rückzugsorten im Netz. Da ist von »Zeitgeistprostitution« (Gerald Grosz) die Rede; davon, dass jetzt gezielt abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit Flüchtlinge nach Deutschland und Österreich eingeflogen würden. Flüchtlingen an der griechisch-türkischen Grenze wird der orchestrierte Einsatz von Waffen vorgeworfen, lokale Kriminalfälle werden empört aufgebauscht und als vertuschte Auswüchse der Migration dargestellt. Zudem hetzt man gegen die Medien, die gezielt Corona in den Vordergrund spielen würden, um andere Themen unter den Teppich zu kehren. Corona ist in diesen Kreisen wechselweise entweder das Medium der kommenden Apokalypse oder nicht mehr als das künstlich in die Welt gesetzte, Angst verbreitende Vehikel eines verschworenen Kreises, der wiederum das Bargeld abschaffen, die Menschen gefügig machen oder einfach nur Geld scheffeln wolle.

In Wien dient vor allem die rot-grüne Stadtregierung als Zielscheibe. Die Vizebürgermeisterin Birgit Hebein schlug die Öffnung von Straßen für Fußgänger vor, da weniger Autos unterwegs seien. Die Antwort eines Bloggers dazu: »Wieso ziehen die Grünen nicht einfach aufs Land, wenn sie Autos so hassen?«

Derselbe Blogger sieht die Menschheit durch Corona und Umweltverschmutzung am Rande der Auslöschung, betrachtet Maßnahmen gegen den Autoverkehr aber als Verschwörung mit dem Ziel, Massenarmut zu kreieren, glaubt an Chemtrails und hält 5G für ein Mittel zur Fernsteuerung von Menschen. Seine Posts beendet der eher der ÖVP zugeneigte Kleinunternehmer immer mit einem Wort: »Aufwachen«. Als würden alle schlafen - nur er nicht.

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