Unwürdiges Geschacher in der Premier League

Profis lehnen Gehaltsverzicht ab, Klubs schicken Mitarbeiter auf Staatskosten in den Zwangsurlaub

  • Lesedauer: 3 Min.

Die reichste Fußball-Liga der Welt zeigt sich in Krisenzeiten alles andere als großzügig - und gerät dafür zunehmend in die Kritik. Die Profis der Premier League haben trotz der Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie einen Gehaltsverzicht von 30 Prozent abgelehnt. Aber auch das Geschäftsgebaren einiger Klubs wie das des Champions-League-Siegers FC Liverpool, die Mitarbeiter auf Staatskosten in den Zwangsurlaub zu schicken, hat Misstöne hervorgerufen.

Im Gegensatz zu Spielern aus den Topligen in Deutschland, Spanien und Italien wollen die englischen Profis vorerst nicht Gehaltseinbußen hinnehmen. Die Spielergewerkschaft PFA begründete die Haltung damit, dass der englischen Regierung mit einem solchen Schritt rund 200 Millionen Pfund (227 Millionen Euro) über einen Zeitraum von zwölf Monaten an Steuergeldern verloren gingen. »Das würde auf Kosten unseres nationalen Gesundheitsdienstes NHS oder anderen staatlich-unterstützten Diensten gehen«, erklärte die PFA.

Die Premier-League-Klubs waren am Freitag überein gekommen, die Spieler um einen Gehaltsverzicht von 30 Prozent zu bitten. Sollte die Saison nicht beendet werden können, müsste die Liga womöglich 762 Millionen Pfund (866 Millionen Euro) an die TV-Rechteinhaber zurücküberweisen. »Die Spieler sind sich bewusst, dass die kombinierte Steuer auf ihre Gehälter einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung wesentlicher öffentlicher Dienstleistungen leistet - die derzeit besonders wichtig sind«, hieß es von der PFA. Es seien weitere Details für einen solchen Schritt nötig. Die PFA monierte zudem, dass die 20-Millionen-Pfund-Spende an die NHS zu wenig sei.

Die PFA-Haltung rief Kritik hervor. Oliver Dowden, Staatssekretär für Digitales, Kultur, Medien und Sport, schrieb auf Twitter, dass die Leute in Krisenzeiten »keine Kämpfe innerhalb unseres Nationalsports« sehen wollen. »Der Fußball muss seinen Teil dazu beitragen, dass der Sport versteht, welchem Druck seine schlechter bezahlten Mitarbeiter, Gemeinschaften und Fans ausgesetzt sind.«

Kritik müssen sich aber auch einige Klubs gefallen lassen. Am Samstag teilte Liverpool mit, zahlreiche Mitarbeiter in Zwangsurlaub zu schicken. Der Klub um Coach Jürgen Klopp nutzt dabei ein Programm der Regierung zur Rettung von Arbeitsplätzen, indem 80 Prozent der Löhne vom Staat übernommen werden. Den Rest steuert der FC Liverpool bei, damit die Angestellten keine finanziellen Nachteile erleiden. Zuvor waren bereits die Ligarivalen Tottenham Hotspur, Norwich City, Newcastle United und AFC Bournemouth ähnlich verfahren.

Ein anonymer Liverpool-Mitarbeiter hat dafür wenig Verständnis. »Der Klub bezeichnet die Mitarbeiter als Familie. Ich fühle mich nicht wie ein Familienmitglied. Warum nutzt ein Klub, der mehr als 100 Millionen Pfund umsetzt, ein Regierungsprogramm für seine Mitarbeiter, wenn andere Unternehmen es mehr brauchen?«, sagte er der BBC. Erst im Februar hatte der Premier-League-Spitzenreiter einen Gewinn von 50 Millionen Euro verkündet. Der Umsatz ist demnach um 92 Millionen Euro auf 627 Millionen Euro gestiegen. SID/nd

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