nd-aktuell.de / 11.04.2020 / Politik / Seite 5

Die neue Antikrisenpolitik

Wie die Euro-Finanzminister auf die Pandemie reagieren

Stephan Kaufmann

Die Euro-Finanzminister haben sich am Donnerstagabend auf gemeinsame Mechanismen geeinigt, wie die Mittel zur Bekämpfung der Coronakrise aufgebracht werden können. Die EU gebe drei »sehr starke« Antworten auf die Herausforderungen durch die Pandemie, sagte Finanzminister Olaf Scholz. Die umstrittene Frage gemeinsamer Anleihen - sogenannter Euro- oder Coronabonds[1] - wurde allerdings vertagt.

Zur Stärkung ihrer Gesundheitssysteme und der Wirtschaft während des Lockdown haben die Staaten riesige Ausgabenprogramme aufgelegt. Diese müssen durch Kredite finanziert werden. Einen Teil davon nehmen die Euro-Länder als nationale Schulden auf. Als Garant dieser Schulden steht derzeit die Europäische Zentralbank bereit. Sie hat über eine Billion Euro zugesagt, mit denen sie Anleihen von Euro-Staaten aufkauft. Damit sorgt sie für niedrige Zinsen und stärkt die Kreditwürdigkeit der Schuldnerstaaten.

Das Abwärtspotenzial ist fast unbegrenzt
Der Ökonom Sebastian Dullien warnt vor den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise[2]

Geeinigt haben sich die Euro-Finanzminister nun auf drei Instrumente, mit denen die Eurozone als Ganzes den Mitgliedstaaten zur Seite springt. Wichtigstes Instrument ist der Euro-Rettungsschirm ESM. Er wird um 240 Milliarden Euro aufgestockt, das heißt, er kann sich diese Summe günstig an den Finanzmärkten leihen und das Geld an Mitgliedstaaten weiterreichen. Für hoch verschuldete Länder wie Italien, Portugal, Spanien und Griechenland stehen damit 70 Milliarden Euro zusätzlich bereit. Anders als bei anderen ESM-Programmen müssen die Kreditnehmer keine strengen Auflagen erfüllen. Einzige Bedingung ist, dass die Mittel für den Kampf gegen die Corona-Pandemie eingesetzt werden.

Daneben soll die Europäische Investitionsbank mit günstigen Krediten über 200 Milliarden Euro kleine und mittlere Unternehmen unterstützen. Als dritten Mechanismus schafft die EU-Kommission eine Art Rückversicherung für die Arbeitslosenkassen in der EU, mit denen etwa Kurzarbeitergeld finanziert werden kann. Der Umfang beträgt etwa 100 Milliarden Euro.

Die von Ländern wie Italien und Spanien geforderten gemeinsamen Euro-Anleihen - Coronabonds - wird es vorerst nicht geben. Sie scheiterten am Widerstand der Niederlande und auch Deutschlands[3], die gemeinsame Haftung für Schulden ablehnen. Allerdings einigten sich die Euro-Finanzminister auf die Schaffung eines »Wiederaufbaufonds« für die Zeit nach der Pandemie. Von ihm würden wohl vor allem die von Corona am schwersten betroffenen Länder profitieren. Zur Finanzierung des Fonds wurden »innovative Finanzinstrumente« zugesagt. Ob darunter Coronabonds fallen werden, dürfte Stoff für kommende Streits sein. Die Debatte soll auf dem nächsten Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs fortgeführt werden, für den es noch keinen Termin gibt.

Der Streit um die Vergemeinschaftung von Kreditrisiken[4] setzt sich also fort. »Am Ende«, so ING-Diba-Ökonom Carsten Brzeski, »kann die Frage nach der Schuldentragfähigkeit nur entweder durch ihre Vergemeinschaftung der Schulden, durch ihre Streichung oder durch ihre Monetisierung beantwortet werden«. »Monetisierung« würde bedeuten: Die EZB übernimmt die Schulden.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1134936.eurobonds-ploetzlich-fuer-eurobonds.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1135303.corona-pandemie-das-abwaertspotenzial-ist-fast-unbegrenzt.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1135254.eurobonds-deutsche-sturheit-und-das-ende-der-eu.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1135372.corona-bonds-die-neue-antikrisenpolitik.html