nd-aktuell.de / 21.04.2020 / Berlin / Seite 10

Ramadan ohne gemeinsames Fastenbrechen

Jordan Raza

Die Sonne geht unter, der Muezzinruf ertönt und die muslimischen Gemeinden laden Nachbarn, Freunde, Nicht- oder Andersgläubige zu einem großen Fest ein. Beim Fastenbrechen im islamischen Fastenmonat Ramadan wird nach Einbruch der Dunkelheit in entspannter Atmosphäre gegessen und getrunken - normalerweise. Aufgrund der Corona-Pandemie sind derartige Zusammenkünfte nicht möglich.

»Viele Menschen sind sehr traurig darüber. Das Besondere am Ramadan ist doch das Zusammenkommen«, sagt die Sprecherin der Neuköllner Begegnungsstätte (NBS), Juanita Villamor. Ein Verein, der die Dar-as-Salam-Moschee in Berlin betreibt.

Im Ramadan verzichten viele gläubige Muslime einen Monat lang von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang auf Essen und Trinken. Abends kommen sie dann normalerweise zum gemeinsamen Fastenbrechen zusammen. Nach Angaben des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD) beginnt der Fastenmonat in Europa in diesem Jahr am 24. April. Allein in Berlin sollen laut ZMD rund 350 000 Muslime leben.

Um ihren Gemeindemitgliedern trotz des Kontaktverbots im Fastenmonat nahe zu sein, setzt die Neuköllner Begegnungsstätte vor allem auf Online-Angebote. »Die Hutba, die Freitagspredigt, wird bei uns live auf Facebook gestreamt«, sagt die Sprecherin. So wolle man die Menschen begleiten. Normalerweise kämen bis zu 1500 Gläubige zum Freitagsgebet in die Moschee. Zudem könnten Familien Muezzinrufe ihrer Kinder aufnehmen und die Videos an die Gemeinde schicken. »So können die Kinder den Gebetsruf üben, und die Facebook-Community kann den Besten auswählen.«

Zusätzlich zu den Online-Angeboten überlegt die NBS, »Essen to go« für ihre Mitglieder anzubieten. Denn das Besondere am Fastenbrechen sei normalerweise, dass die Gläubigen Speisen in der Moschee erhielten. »Vielleicht bieten wir im Laufe des Tages einen Abholservice an. Wir könnten Vorbestellungen mit festen Abholzeiten machen, damit da nicht auf einmal 30 Menschen stehen«, sagt Villamor.

Laut der Islamischen Förderation Berlin (IFB) - ein Dachverband mit nach eigenen Angaben 17 Mitgliedsgemeinden - ist die NBS bei Weitem nicht die einzige Gemeinde mit Alternativangeboten im Ramadan. »Die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş hat zum Beispiel Imame zu Wort gebracht, die kurze Online-Predigten gehalten haben. Es werden Gesprächskreise über das Internet organisiert, die die Gemeindemitglieder besuchen können«, sagt Sprecher Murat Gül. Selbst der Koranunterricht für Jugendliche werde online weitergeführt. Man lasse die Menschen nicht alleine. Eine wichtige Botschaft hat die IFB auch an alle Menschen, die zur Risikogruppe zählen. »Sie sind darauf hingewiesen, nicht zu fasten«, sagte Gül. Die Gesundheit gehe immer vor, und jeder müsse auch aus religiöser Sicht den Empfehlungen der Experten folgen. dpa