nd-aktuell.de / 25.04.2020 / Kultur / Seite 25

Bild und Selbstbild

Mario Pschera

Idolatrie, die Anbetung eines Götzenbildes begleitet den Menschen seit seiner Werdung aus dem Affen, unter Anteil der Arbeit. Arbeit an sich selbst, die Angleichung von Geist und Körper an ein fetischisiertes Bild - jung, schön, muskulös, clever, achtsam, erfolgreich - , begleitet ihn ebenfalls durch seine Entwicklungsgeschichte. War für die Massen die Einhaltung religiöser Pflichten hinreichend und geboten für ein gutes Nachleben, soll der Mensch der Moderne bereits im Diesseits sich einem Bild anverwandeln, oder sich wenigstens ein bisschen schuldig fühlen, dass es ihm an der nötigen Willensstärke fehlt, zu Pawel Kortschagin oder Heidi Klum aufzuschließen. Rollenbilder, von Männern und Frauen, Klassen und sozialen Schichten, können Menschen an sich selbst zweifeln und verzweifeln lassen oder sie daran hindern, Lebenswege einzuschlagen, sich auszuprobieren, das Rollenbild als ein falsches zu erkennen. Auf der anderen Seite helfen Rollenbilder, derer es ja viele, auch konträre gibt, einen eigenen Platz zu finden, vorgegebene Bahnen zu verlassen. Ohne Reibung und Risiko ist das nicht zu haben. Damit beschäftigen sich die auf den folgenden Seiten vorgestellten Bücher.

Die Bühne ist der Tummelplatz erschaffener Charaktere, Kunstfiguren, fleischgewordener Zeichen und Bedeutungen. Viele Darsteller zerbrechen an der Aufgabe, ein Anderes darstellen zu müssen als sich selbst - das ist das Wesen der Kunst - , betäuben die Angst mit Alkohol und Drogen. Wenigen gelingt es, selbst zu dieser Kunstfigur zu werden. Etwa David Bowie, der nicht nur etwas verkörperte, sondern der »Alien« oder der »Thin White Duke« war. Noch den nahenden Tod inszenierte er auf seinem letzten Album, er verstarb zwei Tage nach Erscheinen von »Blackstar«, als eine moderne Variation des Lazarus-Themas. Als eine, nicht gerade faltenfreie Hymne auf den Größenwahn, den Selbstzweifel, das Leben. Da war er schon längst ein Rollenmodell, Vorbild, ein Aufruf zur Selbstermächtigung.

Deshalb ist diese Ausgabe mit Bildern aus einer großformatigen Hommage an eine musikalische Aufbruchzeit, an lange Haare und Plateaustiefel und die Geburt von »Ziggy Stardust« illustriert. An diesen Ausbruch aus Rollenbildern und Zumutungen einer kapitalistischen Gesellschaft darf erinnert werden. Auch wenn die Revolte von der »Marktlogik« wieder eingefangen wurde.

Michael Allred, Steve Horton, Laura Allred:
Bowie. Sternenstaub, Strahlenkanonen und Tagträume[1]
Graphic Novel, Cross Cult Verlag, 160 S., geb., Albumformat, 35,00 €

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