nd-aktuell.de / 28.04.2020 / Kommentare

Castorfs »Theater«

Nicht mehr ganz sauber: Der Theaterregisseur Frank Castorf ruft zum »republikanischen Widerstand« auf

Birthe Berghöfer

Seit mehreren Wochen gibt es wegen der Corona-Einschränkungen keine oder nur noch digitale Kulturveranstaltungen. Für den Theaterregisseur Frank Castorf schien es nun also höchste Zeit wieder »Theater« zu machen. Seine Bühne: Das Magazin »Der Spiegel«, in dem er zum »republikanischen Widerstand« gegen die Pandemie-Maßnahmen aufruft.

»Ich zweifle daran, dass im Augenblick der Nutzen dem Aufwand entspricht«, erklärte der langjährige Volksbühnen-Intendant. Nicht nur würde »heute die gesellschaftliche Pflicht zur Rettung vor dem Tod propagiert«, vielmehr seien die Vorschriften und Gesetze »ein Eingriff in unsere abendländische Normalität.« Was für Castorf »Normalität« ist, scheint jedoch weder besonders hygienisch noch solidarisch zu sein: Denn bei einer höheren Sterblichkeitsrate würde er »sofort einsehen, dass wir einen Ausnahmezustand haben«. Vorher jedoch möchte er sich »von Frau Merkel nicht sagen lassen, dass ich mir die Hände waschen muss.«

Während sich also ein Großteil - dank gesundem Menschenverstand - an Hygienevorschriften hält, befürchtet Castorf, man schreibe ihm vor, was er zu denken und zu tun habe. Damit passt er ausgesprochen gut in jene Ansammlung, die sich bereits mehrfach, paradoxerweise zur »Hygiene-Demo«, vor der Berliner Volksbühne traf. »Mir gefällt überhaupt nicht, dass mir jemand sagt: ‚Das darfst du nicht‘«, nörgelt Castorf ganz in Manier eines alten weißen Mannes. Der war schließlich noch nie bereit, eigene Privilegien zu reflektieren, Leiderfahrungen anderer anzuerkennen oder im Zuge von Mitmenschlichkeit Gewohnheiten zu ändern. Allein von den Worten »Lockdown« und »Shutdown« bösartig zu werden, kann sich auch nur leisten, wer sonst keine Sorgen hat.

Bis vor Kurzem sei ja im Theater der Hauptfeind noch der alte weiße Mann gewesen, sagt Castorf. »Jetzt ist das Virus da, und auch in den Theatern finden plötzlich alle, jeder Alte, auch wenn er über 80 Jahre und ein Mann ist, sollte um jeden Preis geschützt werden.« Doch er selbst sei nicht bereit, gerettet zu werden. In Ordnung, vielleicht ist der Zug eh schon abgefahren: Denn wie Castorf jetzt festgestellt hat – wenn auch mit Erschrecken – mag er Donald Trump. »Weil der aus der Reihe tanzt.«