nd-aktuell.de / 30.04.2020 / Sport / Seite 16

Flugverbot für Frauen

Die Skispringerinnen dürfen auch im kommenden Winter nicht auf die ganz großen Schanzen - und fühlen sich diskriminiert

Erik Roos

»Diskriminierung«, »Ansichten aus der Steinzeit«, »dumme Argumente«: Der erneut geplatzte Traum vom Fliegen hat im Lager der Skispringerinnen für Empörung gesorgt, der Ruf nach Gleichberechtigung wird immer lauter. »Das ist enttäuschend. Da haben Leute entschieden, die keine Ahnung haben«, sagte Norwegens Olympiasiegerin Maren Lundby stellvertretend für viele Kolleginnen. Wie Lundby hatten viele für den kommenden Winter auf den ersten Weltcup auf einem »Monster-Bakken« gehofft. Auf den riesigen Schanzen, von denen derzeit nur vier zugelassen sind, werden Weiten von bis zu 250 Metern erreicht. Entsprechend groß war die Enttäuschung, als nun der neue Wettkampfkalender veröffentlicht wurde.

Vor allem Norwegen hatte sich mit der Schanze in Vikersund für eine Premiere starkgemacht. Der Deutsche Skiverband (DSV) sieht die Lage indes differenzierter. »Es ist definitiv nur eine Frage der Zeit, bis die Damen skifliegen werden. 15 bis 20 Springerinnen wären dazu auch jetzt schon in der Lage«, sagt DSV-Sportdirektor Horst Hüttel. »Aber für einen kompletten Weltcup mit 40 Springerinnen ist es aus meiner Sicht zu früh. Gerade bei Großschanzen-Wettbewerben mit schwierigen Bedingungen hat es in der Vergangenheit große Leistungsunterschiede gegeben.«

Während Hüttel mit Testwettkämpfen weiter Schritt für Schritt Erfahrungen sammeln will, fand sein norwegischer Kollege Clas Brede Brathen drastische Worte. Er habe bei der Kalenderkonferenz »Ansichten aus der Steinzeit gehört«. Das Argument des hohen Verletzungsrisikos wollte er nicht gelten lassen. Der neue FIS-Renndirektor Sandro Pertile hatte zuletzt ähnlich wie Hüttel vor einem zu schnellen Vorgehen gewarnt.

Tatsächlich sind selbst Großschanzen mit Weiten um 120 Meter für die Skispringerinnen noch immer keine Selbstverständlichkeit. Gut die Hälfte der Weltcupwettbewerbe fand zuletzt auf den noch kleineren Normalschanzen statt. »Wir müssen den Anteil der Großschanzen mindestens auf zwei Drittel schieben«, sagt Hüttel. Den norwegischen Vorschlag, beim Finale der Raw-Air-Tour in Vikersund zumindest die besten Frauen der Gesamtwertung fliegen zu lassen, würde er aber ausdrücklich unterstützen, sagt Hüttel.

In der kommenden Saison wird das jedoch kaum der Fall sein, an dem Vikersund-Wochenende steht für die Frauen bereits ein Weltcup in Russland auf dem Programm. Festgezurrt wird der Kalender zwar erst am 15. Mai, viel ändern dürfte sich aber nicht mehr. Das Warten auf das erste Skifliegen geht also weiter. SID/nd