nd-aktuell.de / 07.05.2020 / Politik / Seite 3

In Deutschland wird illegal beschnitten

Dr. Idah Nabateregga fordert mehr Aufklärung

Frau Nabateregga, warum werden Mädchen und Frauen beschnitten?
Das hat viele Gründe. In manchen Kulturen ist die Beschneidung ein Initiationsritus. Anschließend gelten die Frauen als erwachsen. Das hat für sie oft schlimme Folgen. Sie dürfen anschließend nicht mehr die Schule besuchen, werden jung und teilweise gegen ihren Willen verheiratet und bekommen zu früh Kinder. Viele Kulturen gehen davon aus, dass die Beschneidung das Lustempfinden der Frau senkt und sie ihrem Ehemann deshalb besonders treu sein wird. Unbeschnittene Frauen gelten deshalb in manchen Kulturen als schwer verheiratbar. Teilweise wird die Beschneidung auch mit falschen Hygiene- und Reinlichkeitsvorstellungen begründet. Und schließlich wird der Eingriff oft religiös legitimiert. Dabei fordert weder der Koran noch die Bibel eine Beschneidung. Kein Wunder: Schließlich wurden die Eingriffe schon lange bevor es diese Religionen gab durchgeführt.

Gibt es auch bei uns beschnittene Frauen und Mädchen?
Deutschland ist ein Zuwanderungsland. Terre des Femmes geht deshalb davon aus, dass in Deutschland 70 000 beschnittene und 17 000 gefährdete Frauen und Mädchen leben. Weil Beschneidungen in Deutschland illegal sind, finden die Eingriffe entweder heimlich statt oder die Mädchen werden dafür in ihre Heimatländer oder zu ihren Communities im europäischen Ausland gebracht. In Deutschland tätige Gynäkologen, Hebammen und Ärzte sind mit beschnittenen Frauen und Mädchen oft überfordert, da das Problem in ihrer Ausbildung keine Rolle spielte und sie bislang nur sehr selten damit in Berührung kamen.

Was muss getan werden, um weibliche Genitalverstümmelung zu bekämpfen?
Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung! Und zwar durch Mitglieder der betroffenen Gemeinschaften. Wenn Außenstehende aus einer fremden Kultur kommen und sagen. »Was Ihr da seit vielen Generationen macht, ist falsch! Das muss sofort aufhören!«, hat es keine Aussichten auf Erfolg. Zudem müssen die bestehenden Gesetze zum Verbot der weiblichen Genitalverstümmelung endlich rigoros umgesetzt werden. Kenia ist da ein positives Beispiel. Dort wurden Beschneiderinnen und Eltern, die ihre Kinder verstümmeln ließen, festgenommen. Das hat abschreckende Wirkung.