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Fairer Handel trotzt Coronakrise

Umsatz der Branche zuletzt weiter gewachsen / Besonders hoher Marktanteil bei Bananen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wir blicken auf das beste Jahr in unserer Geschichte zurück«, freut sich der Vorstandsvorsitzende von Transfair e.V., Dieter Overath. Die deutsche Fairhandelsorganisation vermeldete gerade, dass der Umsatz erstmals die Zwei-Milliarden-Euro-Marke übersprungen habe. Auch Corona änderte daran bislang nichts. Es habe »keine Absatzeinbußen« gegeben, versicherte Overath in einer virtuellen Pressekonferenz. Allerdings ist es in einigen Ländern im globalen Süden ungewiss, ob Kaffee und Kakao in vollem Umfange geerntet werden könnten. Auch der Transport nach Europa gestalte sich aktuell schwierig, erklärte Overath, der zufrieden wäre, wenn 2020 mit einer »schwarzen Null« enden würde.

Seit fünf Jahrzehnten gibt es fairen Handel in Deutschland. Wurden die Produkte früher ausschließlich in kleinen, von kirchlichen Gruppen oder politischen Initiativen betriebenen Weltläden verkauft, dominieren nun längst die großen Supermarktketten. Seit Langem wächst der Umsatz zweistellig. Am Sonnabend feierte die Bürgerbewegung den »Internationalen Tag des Fairen Handels«. Hunderte Weltläden nutzten den Aktionstag, um für sich und ein Lieferkettengesetz zu werben.

Ende März war dagegen die diesjährige Internationale Fairtrade-Konferenz wegen der Corona-Pandemie ausgefallen. Sie sollte in Berlin stattfinden. Dabei standen drängende Themen auf der Agenda: die Zukunft des globalen Handels, Gendergerechtigkeit und Kinderarbeit, Klimaschutz sowie faire Lieferketten. Johanna Kusch, Koordinatorin der Initiative Lieferkettengesetz, nutzte daher die Fairtrade-Pressekonferenz, um für ihr Anliegen zu werben: »Wir brauchen ein Lieferkettengesetz nicht trotz, sondern wegen der Coronakrise.«

Viele Firmen in Deutschland laden ihre Probleme bei den Schwächsten ab. In Indien müssen Textilfabriken wegen stornierter Aufträge schließen, in der kenianischen Blumenproduktion werden Beschäftigte entlassen. Auch stellen deutsche Firmen Lieferungen in den globalen Süden ein. Dort seien die Corona-Folgen für die Menschen »dramatisch«, betont Kusch. Fairtrade richtet als Reaktion auf die Pandemie zwei Unterstützungsfonds für die Produzenten ein: Einen Hilfsfonds für akute Sofortmaßnahmen sowie einen Resilienzfonds zur mittel- und langfristigen Unterstützung. Beide zusammen starten mit einem Grundkapital von rund 3,1 Millionen Euro - eine Million steuerte TransFair e.V. (Fairtrade Deutschland) bei.

Ein Lieferkettengesetz soll zudem deutsche Unternehmen verpflichten, gemäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte in ihrer gesamten Wertschöpfungskette vom Rohstoffabbau bis zur Entsorgung »Sorgfalt« walten zu lassen. Vorstände müssten dann die Risiken analysieren, beispielsweise wie eine Preisänderung auf Kinderarbeit wirkt, und entsprechend handeln. »Freiwillig werden das nie alle Unternehmen tun«, begründet Kusch die Notwendigkeit eines Gesetzes. Bei Nichteinhaltung müssten Sanktionen drohen.

Über ein Lieferkettengesetz wird in der Bundesregierung schon lange beraten. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), der ohnehin eine Neuausrichtung der Entwicklungshilfe plant, und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wollen den Koalitionsvertrag umsetzen. Der sieht eine gesetzliche Regelung für den Fall vor, dass zu wenige Unternehmen freiwillig mitspielen. Genau das scheint der Fall zu sein; schlimmer noch, die allermeisten Im- und Exportfirmen verfügen nicht einmal über eine eigenständige Risikoanalyse. Ein von der Regierung in Auftrag gegebener Bericht liegt unter Verschluss. Die Gesetzespläne wurden noch vor Corona auf Eis gelegt. Im Juli/August dürfte ein Gesetzentwurf nun endlich vorliegen, wie aus Berlin verlautet. Allerdings dürfte um das »Wie« noch heftig gestritten werden. Aus dem CDU-geführten Wirtschaftsministerium kommt ebenso Widerstand wie von Unternehmensverbänden.

Transfair unterstützt die Initiative für ein Lieferkettengesetz. Auch die meisten Mitgliedsfirmen tun dies, versichert Aufsichtsrat Thilo Hoppe. Der Ex-Grünen-Bundestagsabgeordnete arbeitet als entwicklungspolitischer Beauftragter bei der Hilfsorganisation Brot für die Welt.

Einen Großteil ihres Umsatzes macht die 1992 gegründete Initiative, die auch das »Fairtrade«-Siegel vergibt, mit herkömmlichen Firmen wie Lidl, Ritter-Sport oder Tchibo. Besonders hoch ist der Marktanteil im deutschen Einzelhandel bei Bananen. Jede fünfte stammt aus dem fairen Handel. Rund eine Milliarde Stück gingen 2019 über die Ladentische. Dazu trug besonders die in der Fairtrade-Szene umstrittene Kooperation mit dem Discounter Lidl bei. »Die Fokussierung darauf, Eine-Welt-Läden zu verlassen und in Supermärkte zu gehen, war absolut notwendig«, verteidigt Hoppe die Strategie und spricht von einem »Quantensprung«. Dadurch sei es möglich geworden, immer mehr Kleinbäuerinnen und Kleinbauern zu unterstützen.

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