nd-aktuell.de / 15.05.2020 / Politik / Seite 6

Die Reaktionärin

Chiles neue Ministerin für Frauen und Geschlechtergleichheit ist höchst umstritten.

Jürgen Vogt

»No Tenemos Ministra - Wir haben keine Ministerin« schallt es Macarena Santelices bei ihren öffentlichen Auftritten entgegen. Chiles neue Ministerin für Frauen und Geschlechtergleichheit ist die Großnichte von Augusto Pinochet und hat dessen Militärdiktatur (1973-1990) stets verteidigt. »Ja, es gab Menschenrechtsverletzungen, das ist das große Karma der Militärregierung, aber es gab auch eine wirtschaftliche Reaktivierung«, so Santelices. Über sich selbst sagt die 41-Jährige: »Ich glaube, dass das Leben aus Strenge und Anstrengung besteht und ich bin eine Ziehtochter dieser Werte.«

Kaum hatte sich vor gut zwei Wochen die Nachricht von ihrer Ernennung verbreitet, ging ein Aufschrei durch die sozialen Netze. Unter dem Hashtag NoTenemosMinistra kamen innerhalb weniger Stunden über 22 000 Tweets zusammen. »Als Anhängerin der Pinochet-Diktatur ist sie mit der Verteidigung der Frau unvereinbar. Die Diktatur hat uns 17 Jahre lang vergewaltigt, gefoltert und getötet«, twitterte Fußballnationalspielerin Fernanda Pinilla.

»Ihre Ernennung ist eine Gefahr für das Leben von Frauen, Lesben, Transvestiten, Trans- und Nicht-Binären, eine Provokation für die feministische Bewegung und unser historisches Gedächtnis und wir werden es nicht dulden, dass jemand, der alles verkörpert was wir anklagen, an der Spitze dieses Ministeriums steht«, heißt es in einer Erklärung der Coordinadora Feminista 8M, dem Bündnis aus sozialen, feministischen und gewerkschaftlichen Organisationen, das die Demonstration organisierte, bei der am 8. März zwei Millionen Frauen auf die Straße gingen.

Trotzig hält Präsident Sebastián Piñera dagegen. »Ich bin sicher, dass sich die neue Ministerin dieser enormen Herausforderung stellen wird.« Santalices gehört wie ihre Vorgängerin Isabel Plá der pinochetfreundlichen Unabhängigen Demokratischen Union (UDI) an. Plá war am 13. März zurückgetreten, nur wenige Tage nach der historischen Frauendemonstration. Sie hatte mehrfach Gewaltakte von Polizei und Militärs gegen Frauen bagatellisiert.