nd-aktuell.de / 22.05.2020 / Politik / Seite 1

Ende der Subunternehmer

Die Bundesregierung will mit scharfen Auflagen die Arbeit in der Fleischindustrie verbessern

Ines Wallrodt

Nach massiven Coronaausbrüchen unter ausländischen Schlachthofarbeitern hat die Bundesregierung am Mittwoch die Reißleine gezogen. Das Schlachten und die Verarbeitung des Fleisches in den Betrieben dürfen vom kommenden Jahr an nur noch von eigenen Beschäftigten erledigt werden. »Werksvertragsgestaltung und Arbeitnehmerüberlassung sind damit ab 1. Januar 2021 nicht mehr möglich«, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Für die Fleischbranche unterbunden würde damit, dass Firmen Kernbereiche ihrer Tätigkeit auslagern und damit auch die Verantwortung für Niedrigstlöhne und menschenunwürdige Unterbringung. Bisher sind viele Arbeiter, die bei Großschlachtern wie Tönnies malochen, bei Subunternehmen beschäftigt. Arbeitsminister Heil stellte nun klar: »Für ein Geschäftsmodell, das Ausbeutung und eine Ausbreitung von Pandemien in Kauf nimmt, kann es in Deutschland keine Toleranz geben.«

Die Bundesregierung reagiert damit auf Coronainfektionen unter Schlachthofarbeitern in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Die seither diskutierten Missstände in der deutschen Fleischindustrie sind allerdings lange bekannt. Gewerkschafter prangern seit Jahren verschachtelte Konstruktionen mit Sub-, Sub-, Subunternehmern an, um Arbeitsbedingungen für die oft aus Osteuropa stammenden Arbeiter zu drücken. Eine frühere Reaktion war beispielsweise die Einführung der Nachunternehmerhaftung in der Fleischindustrie. Sie verpflichtet Betriebe seit 2017 dazu, darauf zu achten, dass ihre Subunternehmer Sozialabgaben zahlen. Allerdings wurde die Einhaltung der vorhandenen Bestimmungen kaum kontrolliert. So hatte sich die Anzahl der Kontrollen seit 2009 sogar mehr als halbiert, ergab eine Anfrage der Linken im Bundestag im Juli 2019. Von nun an soll besser hingeschaut werden: Das Kabinett beschloss auch eine Ausweitung der Arbeitsschutzkontrollen durch den Zoll und die Länder, eine Pflicht zur digitalen Arbeitszeiterfassung und höhere Bußgelder bei Verstößen.

Gewerkschaften und Oppositionsparteien begrüßten den Regierungsbeschluss. Freiwillige Regelungen hätten nichts an den katastrophalen Zuständen geändert, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, forderte scharfe Kontrollen.

Arbeitgeber-Vertreter nannten es hingegen inakzeptabel, dass einzelne Missstände der Politik dazu dienen sollten, erfolgreiche Instrumente wie Werkverträge abzuschaffen. Die Geflügelwirtschaft vertrat die Ansicht, Werkverträge allein für die Fleischindustrie zu verbieten, sei verfassungswidrig. Das Beispiel der Leiharbeit indes zeigt, dass Ausnahmen für einzelne Branchen durchaus möglich sind. Sie ist bis heute im Baugewerbe verboten. Mit Agenturen Seite 14