nd-aktuell.de / 26.05.2020 / Kultur / Seite 13

Archivschätze

Arbeiterbewegung

Heinz Sommer

Das neue Heft der »Mitteilungen« des Anfang der 90er Jahre in Berlin gegründeten Förderkreises Archive und Bibliotheken zur Geschichte der Arbeiterbewegung hat es wieder in sich, bietet in bewährter Weise und hoher Qualität eine vielfältige Mischung aus Forschungsergebnissen, Dokumentenveröffentlichungen und Veranstaltungsberichten sowie Hinweise auf wichtige Neuerscheinungen.

Unter dem Titel »Arbeitergeschichte im Keller« berichtet Silke Neunsinger über die eng miteinander verflochtene Geschichte der Archive der Arbeiterbewegung in Schweden, Norwegen und Dänemark sowie über analoge Institutionen in Finnland und Island, die von der etablierten akademischen Historiografie allzu oft nur stiefmütterlich beachtet werden. Welche Schätze in schriftlichen Hinterlassenschaften zu bergen sind, verdeutlicht auch die Übersicht von Rainer Holze zum APO-Archiv an der FU Berlin, eine noch längst nicht vollständig erschlossene Quelle zur Erforschung der jüngeren bundesdeutschen Geschichte. Schmunzeln lässt der Beitrag von Eckhard Müller über einen jüngst aufgefundenen Bericht von August Bebel über die Auseinandersetzungen mit den Lassalleanern 1870, bei denen es sogar zu Handgreiflichkeiten gekommen war.

Über ein wenig bekanntes Kapitel internationaler Solidarität informiert Erwin Lewin in seinem ergreifenden, mit Dokumenten angereicherten Aufsatz über die Rettung jüdischer Flüchtlinge in Albanien während des Zweiten Weltkriegs. Nicht minder interessant sind die von Ottokar Luban ausgebreiteten Details zu der von Holland aus betriebenen Agitation von Wilhelm Pieck, damals noch Sozialdemokrat, sowie des deutsch-amerikanischen sozialrevolutionären Publizisten Carl Minster während des Ersten Weltkriegs, bei der es auch zur Zusammenarbeit mit dem französischen Geheimdienst kam.

Aufschlussreiche Ergebnisse verspricht das im neuen Heft avisierte Promotionsprojekt zu Eduard Bernstein. Unter der Rubrik »Personalien« wird schließlich die Arbeit des am 26. Februar verstorbenen ehemaligen Vorsitzenden des Förderkreises Rainer Zilkenat gewürdigt und zudem Rainer Holze zu dessen 80. Geburtstag gratuliert, nicht ohne den Hinweis, dass dieser als gebürtiger Magdeburger natürlich begeisterter Fan des I. FC Magdeburg ist, seine Meriten jedoch insbesondere auf wissenschaftsorganisatorischem Feld erwarb.

Mitteilungen des Förderkreises Archive und Bibliotheken zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Nr. 57, 72 S., br., 3 € (zzgl.Versand).