nd-aktuell.de / 27.05.2020 / Ratgeber / Seite 18

Die zweite Ehefrau wird Alleinerbin

Erbrecht

OnlineUrteile.de

In seinem Testament hatte ein Ehemann seine zweite Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt. Nach ihrem Tod sollten seine - aus erster Ehe stammende - Tochter und der Sohn der zweiten Ehefrau das Vermögen erben. So eine Konstruktion nennt man Vorerbschaft und Nacherbschaft. Nach dem Tod des länger lebenden Ehepartners sollen so genannte Nacherben das Vermögen bekommen, das sind meistens die Kinder.

Damit für die Nacherben etwas übrig bleibt, hat der Gesetzgeber die Möglichkeiten des Vorerben eingeschränkt, über das Vermögen zu verfügen. Zum Beispiel darf der Vorerbe in der Regel keine Immobilien verkaufen. Er ist zudem verpflichtet, dem oder den Nacherben Vermögensauskunft zu erteilen. Der Erblasser kann allerdings in seinem Testament den Vorerben von diesen Einschränkungen befreien (§ 2136 Bürgerliches Gesetzbuch). Dann spricht man von «befreiter Vorerbschaft».

Im konkreten Fall wandte sich die Tochter des Erblassers dagegen, dass das Nachlassgericht der zweiten Ehefrau einen Erbschein erteilt hatte, nach dem sie «befreite Vorerbin» war.

Das Amtsgericht München hatte dies so begründet: Der Erblasser habe nicht nur seine leibliche Tochter, sondern auch den Sohn der zweiten Ehefrau als Nacherben berufen und seiner Frau im Testament auch noch ein langes Leben gewünscht. Das zeige, dass er seiner Frau eine starke Stellung habe einräumen wollen.

Die Beschwerde der Tochter gegen diese Entscheidung hatte beim Oberlandesgericht (OLG) München mit Urteil vom 9. Januar 2019 (Az. 31 Wx39/18) Erfolg. Der Erblasser habe im Testament keine «Befreiung» angeordnet, stellte das OLG fest. Diesen Willen habe er im Text weder direkt ausgedrückt, noch in irgendeiner Weise angedeutet.

Der Umstand, dass auch das mit dem Erblasser nicht verwandte Kind der zweiten Ehefrau erben sollte, genüge nicht, um anzunehmen, dass die Vorerbin von den gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen befreit werden sollte. Das gelte auch für den Wunsch, sie möge lange leben: Daraus könne man nicht auf eine «befreite Vorerbschaft» schließen. OnlineUrteile.de