nd-aktuell.de / 27.05.2020 / Ratgeber / Seite 14

Bleibt der Mindestlohn auch die nächsten Jahre unter 10 Euro?

Ich bin Geringverdiener. Seit Beginn dieses Jahres bekomme ich statt 9,19 Euro den neuen Mindestlohn von 9,35 Euro pro Stunde. Kann ich damit rechnen, dass der Mindestlohn bald auf 10 Euro und mehr steigt? Jochen B., Berlin

Nach Lage der Dinge dürfte auch der nächste Erhöhungsschritt des Mindestlohnes die Erwartungen wieder nicht erfüllen. Geringverdiener auf dem Niveau des Mindestlohns dürften auch im kommenden Jahr bei einem Stundenlohn unter 10 Euro bleiben. Nach den entsprechenden Berechnungsgrundlagen der Mindestlohnkommission, die alle zwei Jahre die Anpassung der Lohnuntergrenze vorschlägt, könnte der Mindestlohn zum 1. Januar 2021 von jetzt 9,35 Euro auf 9,82 Euro steigen. Ein entsprechender Vorschlag der Kommission wird bis zum 30. Juni 2020 erwarteten.

Eine maßgebliche Grundlage für die Entscheidung über die künftige Mindestlohnhöhe sind Angaben des Statistischen Bundesamts über die Tariferhöhungen in den vergangenen beiden Jahren. Dieser Tariflohnindex zeigt eine Steigerung von 5,7 Prozent. Die Basis der Neuberechnung soll bei 9,29 Euro liegen, da bei der jüngsten Anhebung ein späterer Abschluss für den öffentlichen Dienst schon eingerechnet war, der nun wieder herausgerechnet werden soll.

Die Gewerkschaft drängt auf einen armutsfesten Mindestlohn, der bei 60 Prozent des Medianeinkommens der Vollzeitbeschäftigten liegt. Die im Mindestlohngesetz festgelegte Gesamtabwägung des Mindestlohns spreche für eine höhere Anhebung. Verlangt wird ein Mindestlohn von 12 Euro. Dafür solle die in diesem Jahr anstehende Evaluierung des Mindestlohngesetzes genutzt werden. Allerdings ist laut Geschäftsordnung der Mindestlohnkommission dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig, die die Arbeitgeberseite verhindert.

Verdi hat eine Änderung der Geschäftsordnung verlangt mit dem Ziel, dass das Gremium bei seinen Mindestlohnempfehlungen bereits mit einfacher Mehrheit vom Lohnindex abweichen darf. Die Folge: Die Arbeitgeberseite würde überstimmt werden. nd-ratgeberredaktion