Der Erfolg der Geschlechter

Die Rekombination von Genen erlaubt sich sexuell fortpflanzenden Lebewesen bessere Anpassung an sich schnell wandelnde Umwelteinflüsse

  • Ingrid Wenzl
  • Lesedauer: 2 Min.

Lange haben sich die Evolutionsbiolog*innen darüber die Köpfe zerbrochen, wie es kam, dass sich auf der Erde die sexuelle Fortpflanzung durchsetzte. Denn die asexuelle Variante ist wegen ihrer deutlich höheren Reproduktionsrate und der Energieersparnis dank unnötiger Partnersuche mindestens doppelt so effizient. Dennoch vermehren sich nahezu alle höher entwickelten Tierarten sexuell. »Es muss also etwas geben, was sie erfolgreicher sein lässt«, sagt Manfred Milinski vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön.

Bei der sexuellen Fortpflanzung gibt das Weibchen ebenso wie das Männchen nur die Hälfte seiner Gene weiter, beides zusammen bildet dann das Erbgut des neuen Individuums. Damit diese Nachkommen aber mindestens doppelt so gut sind wie die eines Klons, müssen sie, laut Milinski, drei Bedingungen erfüllen: »Durch eine sich dramatisch wandelnde Umwelt sollten sie aus einer großen erblichen Vielfalt in der Population in jeder Generation die neu verlangten Genkombinationen herstellen können. Sodann muss das Weibchen aus dieser reichen Auswahl das Männchen auswählen, dessen Gene die eigenen optimal ergänzen, damit die Nachkommen in der veränderten Umwelt überlebensfähig sind, und das wiederum setzt voraus, dass das Weibchen die richtigen Genvarianten bei den Männchen von Außen wahrnehmen kann.«

Der britische Zoologe William Hamilton identifizierte bereits in den 1980er Jahren die starken Umweltveränderungen als schnell mutierende Krankheitserreger oder Parasiten. Um sie zu bekämpfen, musste das Immunsystem polymorph, also genetisch vielgestaltig, sein. Um den Partner zu erkennen, dessen Immunsystem sich am besten mit dem eigenen ergänzt, ist der Geruch maßgeblich. Das zeigen Versuche an Fischen, Mäusen und Menschen. Große Berühmtheit erlangte ein Experiment an der Universität Bern vor 25 Jahren, bei denen es Studentinnen gelang, anhand des jeweiligen Schweißgeruchs benutzter T-Shirts den genetisch idealen Partner zu erschnuppern. »Man vermutet, dass alle Wirbeltiere ihre Partner nach Immungenen ausriechen«, versichert Milinski, der damals an dem Experiment mitwirkte. Darüber hinaus spielten aber auch optische Faktoren eine Rolle. So signalisiere bei Stichlingen die grellrote Bauchfarbe des Männchens eine gute Gesundheit.

Sich ausschließlich asexuell fortpflanzende Arten sind hingegen nach der Mullers-Ratchet-Hypothese, einem vor rund 90 Jahren entwickelten Konzept der klassischen Evolutionsbiologie, auf lange Sicht zum Aussterben verurteilt: In ihren Nachkommen häuften sich immer mehr nachteilige Mutationen an. Diese könnten sie aber allenfalls durch sehr seltene Rückmutation wieder loswerden, da im Gegensatz zu der sexuellen Fortpflanzung die Rekombination der vorhandenen Gene mit Genmaterial des Partners fehlt. Ingrid Wenzl

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