nd-aktuell.de / 02.06.2020 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 7

Maskenmüll bedroht die Umwelt

Milliarden Anti-Corona-Einwegprodukte lassen die Abfallberge wachsen

Elke Bunge

Vielerorts bietet sich in diesen Tagen ein unschönes Bild: An Bahnhöfen, vor Haltestellen oder Einkaufszen-tren liegen achtlos weggeworfene Mund-Nase-Masken oder Plastikhandschuhe auf der Straße, werden vom Wind verweht und bleiben in Büschen oder Parkanlagen hängen. Mit den zunehmenden Lockerungen nach der Covid-19-Pandemie wurden den Menschen Hygiene- und Abstandsauflagen wie das Tragen von Masken und Handschuhen in der Öffentlichkeit erteilt. In der Regel handelt es sich dabei um Einwegprodukte, die nach dem Benutzen entsorgt werden. Dadurch entstehen zusätzliche Berge von Müll, die - wenn sie nicht richtig entsorgt werden - unsere Umwelt weiter belasten. Was man dem einzelnen Paar Handschuhe oder der weggeworfenen Maske nicht ansieht: In der Gesamtheit entstehen derzeit Hunderttausende Tonnen Mülls zusätzlich.

Das Hamburger Umweltinstitut warnt seit langem vor unverantwortlicher Umweltverschmutzung durch Plastikmüll. Die jetzt anfallenden Schutzmittelmengen verschärfen das Problem deutlich. Aus Daten des Bundeswirtschaftsministeriums hat Institutsleiter Michael Braungart die zu erwartenden Müllmengen hochgerechnet: Der Jahresbedarf an Atemschutzmasken liegt demnach bei etwa zwölf Milliarden. Rechnet man den größeren Verbrauch von Einweghandschuhen und sonstiger Schutzkleidung hinzu, so sorgt dies für ein zusätzliches Müllaufkommen von 1,1 Millionen Tonnen. Das entspricht etwa sieben Prozent des jährlichen Hausmülls in der Bundesrepublik.

Ähnlich sehen die Daten aus anderen EU-Staaten aus. So schätzt das besonders von Covid-19 betroffene Italien das zusätzliche Müllaufkommen auf 40 000 Tonnen im Monat. Die Behörden rechnen mit einem Bedarf von einer Milliarde Masken und einer halben Milliarde Einweghandschuhen.

Zudem gibt es hygienische Bedenken. Die Luxemburger Naturverwaltung weist in einem Rundschreiben darauf hin, dass die Gefahr einer Infektion von Menschen entstehe, die die Masken oder Handschuhe aufheben, um sie zu entsorgen. Die Behörde fordert dazu auf, den Müll in den Hausmüll oder unterwegs in einen Mülleimer zu werfen.

Doch die sachgerechte Entsorgung zu Hause löst nicht das Müllproblem, warnt das Hamburger Umweltinstitut. Besser wäre es, Materialien zur Herstellung zu nutzen, die nach Gebrauch in biologische Kreisläufe zurückkehren könnten. Bereits in der Vergangenheit erarbeitete das Team um Michael Braungart Konzepte zur Wiederverwendung von Produktmaterialien. Zusammen mit dem US-amerikanischen Architekten William McDonough entwickelte er ein System, das sie Cradle-to-Cradle (von der Wiege zur Wiege) nannten. Dabei könnten die Materialien in einen Wertekreislauf fließen, aus denen immer wieder neue Produkte entstehen, ohne dass zusätzliche Ressourcen aufgebraucht würden.

Problematisch bei der Maskenherstellung sei, so der Chemiker, dass vielfach auch gefährliche, vermeintlich antimikrobielle Substanzen wie Silberverbindungen eingesetzt würden, die keine nachgewiesene Wirkung gegen Coronaviren besitzen und Resistenzen von anderen Krankheitskeimen fördern können. Durch viele waschbare Masken, die unter anderem aus Polyester hergestellt sind, ergibt sich zudem ein Problem durch das Einatmen von Mikroplastikabrieb.

Braungart fordert, entsprechende Qualitäts- und Umweltauflagen an die Herstellung der Masken zu erteilen. Andernfalls sei nicht zu vermeiden, dass die Coronakrise mit einem zusätzlichen Abfallproblem belastet und wieder einmal Wirtschaft gegen Gesundheit und Umwelt ausgespielt wird. Braungart: »Es darf nicht sein, dass man den Planeten krank macht, um gesund bleiben zu wollen.«