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Alarmzustand bis zur Sonnenwende

Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez brauchte für Mehrheit Hilfe von rechts

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.

Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez von der sozialdemokratischen PSOE führt seinen Drahtseilakt fort. Dabei streckt seine Minderheitskoalitionsregierung aus PSOE und der Linkspartei Unidas Podemos (UP) immer deutlicher die Hand in Richtung der national-neoliberalen Ciudadanos (Cs) aus. Denn bei der sechsten Verlängerung des Alarmzustands im Rahmen der Coronakrise hat Sánchez ohne Not mit der rechten Partei paktiert. Anders als vor zwei Wochen war das unnötig, da sich dieses Mal die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) verpflichtet hatte, mit der Enthaltung ihrer 13 Parlamentarier dafür zu sorgen, dass die Mehrheit für eine Verlängerung des Alarmzustands bis zum 21. Juni gegeben war.

Im Gegenzug soll der eingefrorene Dialog zwischen der spanischen Regierung und ihrem Konterpart in Katalonien zur Lösung des Katalonien-Konflikts wieder aufgenommen werden. Zudem sollen der Regionalregierung in Barcelona in der letzten Phase der Lockerungen der Beschränkungen die Kompetenzen weitgehend zurückgegeben werden. So konnte Sánchez mit 177 Stimmen, bei 155 Gegenstimmen und 18 Enthaltungen, seinen Plan mit einer etwas stärkeren Mehrheit als vor zwei Wochen verabschieden. Die zehn Stimmen der bei den vergangenen Wahlen abgestürzten Cs wären für eine Mehrheit nicht nötig gewesen.

Die Verstimmung über das Vorgehen der Mitte-links-Regierung ist groß. Über das Bündnis mit Cs zeigte sich neben der ERC auch die Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) erstaunt. PNV-Präsident Andoni Ortuzar hält das Vorgehen der Regierung für »konfus«. Die Christdemokraten fürchten, dass das Abkommen mit der Cs im Gegensatz zu dem steht, das mit der PNV und der ERC verabschiedet wurde. Mit Blick auf die ausstehende Verabschiedung des Haushalts kündigte Ortuzar an, dass man zunächst »Buchstabe für Buchstabe« überprüfen werde, ob bisherige Vereinbarungen eingehalten wurden. Es ist bekannt, dass die nationalistische Partei Cs kriegerisch gegen Autonomierechte und gegen jeden Dialog zur Lösung des Katalonienkonflikts eintritt. Für zehn unnötige Stimmen habe er andere verloren. Die »kreative variable Geometrie« von Sánchez habe »wenig Zukunft«, fügte Ortuzar an.

Auch die linksrepublikanische Unabhängigkeitspartei ERC fürchtet, dass sich die Regierung nun strategisch neu auszurichten versucht und sich Mehrheiten außerhalb der linken Kräfte suchen will, die Sánchez an die Regierung gebracht haben. ERC-Sprecher Gabriel Rufián forderte Sánchez auf, zwischen den Unterstützern der Regierungsbildung und der national-neoliberalen Cs zu wählen: »Sag mir, mit wem du paktierst und ich sage dir, was du paktierst«, sagte Rufián. Er fordert vor allem die Linkskoalition UP auf, ihr Schweigen aufzugeben.

Mit ihrem Spiel über die Bande verscherzt es sich die Regierung immer deutlicher mit linken Kräften. So ist auch die linke Compromís aus Valencia genervt, dass Sánchez mit allen verhandelt, bloß nicht mit Valencia. Der Compromís-Sprecher Joan Baldoví wies erneut auf die sehr angespannte Finanzlage in der unterfinanzierten Region hin. Die verändere sich nicht und ab dem 31. August habe die Region kein Geld mehr, um das Gesundheitswesen zu bezahlen. Deshalb stimmte die Regionalpartei gegen eine Verlängerung des Alarmzustands.

Es geht längst nicht mehr um die Frage der Notmaßnahmen, sondern darum, den Haushalt zu beschließen. Die letzten beiden Abstimmungen über den Alarmzustand waren dafür Generalproben. Ausgerechnet der Minister für Verbraucherschutz Alberto Garzón von der UP hat den linken Kräften vor den Kopf gestoßen. Er öffnete die Tür weit für ein Abkommen über den Haushalt mit Cs. Damit würde er sich »wohlfühlen«, erklärte Garzón. Sogar der UP-Fraktionschef ging deshalb massiv auf Distanz zum eigenen Minister. Jaume Asens erklärte, dass »wir absolut unvereinbar« mit der Cs sind: »Garzón, Mitglied der Kommunistischen Partei und der Vereinten Linken, weiß, dass man nicht kompatibel mit einer Partei sein kann, die die Regierung ständig als ›sozialkommunistisch‹ beleidige, die neoliberale Politiken vertritt, die genau im Gegensatz zu denen stehen, die ein Kommunist wie er vertritt.«

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