nd-aktuell.de / 05.06.2020 / Kommentare

Mehr Plumps als Wumms

Im Konjunkturpaket bleiben Frauen und ihre Systemrelevanz unsichtbar

Birthe Berghöfer

Was Feminist*innen schon lange klar ist, wurde in der Coronakrise auch für die breite Öffentlichkeit sichtbar: Lebensnotwendige und »systemrelevante« Arbeit wird in der Regel von Frauen geleistet – gering entlohnt und unter vielfach prekären Bedingungen. Die coronabedingte Ausnahmesituation machte undenkbares möglich: Menschen bedankten sich klatschend auf dem Balkon und Politiker*innen prangerten die geringe Wertschätzung und Entlohnung im Gesundheitssektor an. Bei dieser rhetorischen Anerkennung scheint es allerdings zu bleiben – im Konjunkturpaket[1] jedenfalls finden sich keine geschlechterpolitischen Maßnahmen.

Natürlich sind der Kinderbonus und ein Entlastungsbeitrag für Alleinerziehende durchaus wichtige und – besonders für in Armut lebende Menschen – hilfreiche Maßnahmen. »Jenseits der Alleinerziehenden, die weit überwiegend weiblich sind, werden Frauen als ökonomische Gruppe« jedoch nicht adressiert, kritisiert die »taz«[2] vollkommen zurecht. Das »Leitprinzip Geschlechtergerechtigkeit«, das laut gemeinsamer Geschäftsordnung der Bundesministerien bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen der Bundesregierung zu berücksichtigen ist, kommt mehr als zu kurz. Geschlechterpolitik plumpst auf den Boden alter Tatsachen – auf beharrliche Ignoranz. Der Wumms bleibt aus.

Dabei wurde immer wieder darüber berichtet, dass die Krise vor allem eine Krise der Frauen ist: Mütter sind mit Kinderbetreuung und Homeschooling beschäftigt. Unbezahlte Carearbeit geht zu Lasten der Lohnarbeitsstunden, die notgedrungen reduziert werden müssen. Dennoch ist die Suche nach Begriffen wie »Frauen«, »Geschlechtergerechtigkeit« oder gar »Carearbeit« im Konjunkturpaket vergeblich. Da mögen 300 Euro Kinderbonus für manche tatsächlich wie eine Art Schweigegeld wirken.

Aber auch was den Bereich der Mobilität angeht, ist das Konjunkturpaket enttäuschend[3]: »Weibliche« Mobilitätsgewohnheiten, wie die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder des Fahrrads[4], werden weniger bezuschusst als der Kauf eines neuen Autos. Das ist auch aus ökologischer Sicht ein Griff ins Klo. »Zukunftsfähigkeit stärken« aber geht nur ökologisch und geschlechtergerecht. Das Motto des Pakets zur Krisenbewältigung ist knapp verfehlt.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1137505.konjunkturpaket-psychologie-des-wumms.html?sstr=konjunkturpaket
  2. https://taz.de/Gender-Gap-im-Konjunkturpaket/!5686625/
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1137493.kein-wumms-bei-der-mobilitaet.html?sstr=konjunkturpaket
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1135969.verkehr-und-mobilitaet-schneller-hoeher-weiter.html?sstr=verkehrspolitik