Für Colin Kaepernick scheint eine Rückkehr in die NFL möglich

Seahawks-Trainer Carroll sagt, ein Team der US-Football-Liga erwäge eine Verpflichtung des Antirassismus-Idols - vier Jahre nach dem Kniefall

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Es wäre ein spätes Signal, aber ohne Zweifel das richtige: Nach Aussage von Seattle-Seahawks-Cheftrainer Pete Carroll beschäftigt sich ein NFL-Team mit einer Verpflichtung von Quarterback Colin Kaepernick. Der inzwischen 32 Jahre alte Football-Profi aus den USA hatte 2016 als erster Spieler in der NFL während der Nationalhymne durch Niederknien gegen Polizeigewalt und Rassismus demonstriert und ist seit 2017 ohne Vertrag.

Trainer Carroll sagte gegenüber dem TV-Sender ESPN, auch er selbst habe 2017 über eine Verpflichtung Kaepernicks nachgedacht. »Ich habe nie mit einem anderen Cheftrainer darüber gesprochen. Ich habe bis heute mit niemandem darüber gesprochen.« Nun habe er von einem Anrufer erfahren, dass Kaepernick bei einem anderen Team im Gespräch ist. »Ich weiß, dass jemand interessiert ist. Also werden wir sehen, was damit passiert.«

Carroll sagte außerdem, er bedauere, Kaepernick 2017 nicht verpflichtet zu haben. Er habe sich aus rein sportlichen Gründen dagegen entschieden, weil er in ihm einen Stammspieler gesehen habe und die Seahawks schon damals Russell Wilson als festen Quarterback gehabt hätten. Er sei davon ausgegangen, dass Kaepernick bei einem anderen Team einen Vertrag bekommen und Startspieler werden würde.

Happy End im Fall Kaepernick? Am Anfang seines Protests saß Colin Kaepernick auf der Bank am Spielfeldrand, als die Nationalhymne gespielt wurde. Er schien teilnahmslos. Erst zwei Wochen später wurde er gefragt, warum er das tue. Kaepernick sagte, was er seitdem immer sagt: Er wolle protestieren gegen Rassismus und gegen Polizeibrutalität. Und nein, betonte der Quarterback der San Francisco 49ers von Beginn an, er drücke damit keinen Mangel an Respekt für die Hymne, die Fahne und das Militär aus.

Eine Woche später, am 1. September 2016, ging Kaepernick beim Vorbereitungsspiel der 49ers gegen die San Diego Chargers dann erstmals auf die Knie, genau genommen auf sein rechtes. Zuvor hatten er und sein Mitspieler Eric Reed mit Nate Boyer darüber diskutiert. Boyer, ehemaliger Football-Profi, zudem ehemaliges Mitglied einer Spezialeinheit der US-Armee und ein Weißer, war der Meinung: Zu knien sei eine respektvolle Geste, Zeichen friedlichen Protests.

Kaepernick (32) ist Sohn eines Afroamerikaners und einer Weißen, großgezogen von weißen Adoptiveltern. »Ich weiß«, sagte er nach dem ersten Kniefall, »dass meine Aktion Konsequenzen haben wird.« Aber: »Ich kann nicht in den Spiegel schauen und zusehen, wie Menschen sterben, die die gleichen Chancen wie ich verdient hätten.« Die Konsequenz für den Quarterback, der die 49ers im Februar 2013 fast zum Sieg im Super Bowl geführt hatte: Er hat keinen Job mehr.

Beinahe vier Jahre, zahlreiche Tote, den Mord an George Floyd und tagelange gewaltsame Proteste später begreifen immer mehr Menschen in Amerika nun, was Kaepernick ausdrücken wollte. Vom Präsidenten vielleicht abgesehen. »Wäre es nicht toll, wenn die NFL-Besitzer zu denen, die unserer Flagge keinen Respekt zollen, sagten: Runter vom Feld mit dem Hurensohn! Sofort. Raus. Er ist gefeuert!«, sagte Donald Trump zu Beginn der »Take a Knee«-Bewegung. Und vermutlich denkt er noch immer so.

Kaepernick stieg im Frühjahr 2017 aus seinem Vertrag bei den 49ers aus, und es gilt längst als erwiesen, dass die National Football League alles daran gesetzt hat, dass er keinen neuen Job bekam. Ihr Chef Roger Goodell hat sich auf Druck prominenter schwarzer Spieler, aber auch weißer Stars wie Tom Brady oder Aaron Rodgers, nun in der Tat entschuldigt: Den Umgang mit den Protesten der Spieler habe die NFL verbockt. Den Namen Kaepernick erwähnte er nicht.

Jüngst machte sich Bürgerrechtler Al Sharpton für Kaepernick stark. Bei der Trauerfeier für George Floyd sagte er, wer einem Mann die Lebensgrundlage nehme, der sollte vier Jahre später nicht einfach mit einer »leeren Entschuldigung« davonkommen. »Entschuldigt euch nicht«, donnerte Sharpton. »Gebt Colin Kaepernick seinen Job zurück.« nd/Agenturen

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