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  • Grenzkonflikt Indien und China

Faustkämpfe im Himalaya

Zwischen Indien und China eskaliert der Grenzkonflikt

  • Alexander Isele
  • Lesedauer: 3 Min.

Im schwelenden Konflikt entlang der 3488 Kilometer langen Grenze zwischen den nuklear bewaffneten Nachbarn Indien und China sind es die ersten Todesopfer seit 45 Jahren. An diesem Montag eskalierte die Situation: Laut dem indischen Verteidigungsministerium wurden 20 Armeeangehörige getötet. Zunächst wurde von drei Getöteten gesprochen, doch am Dienstagabend teilte ein Armeesprecher mit, dass 17 weitere Soldaten gestorben seien, nachdem sie bei einem Vorfall Montagnacht schwer verwundet wurden und Temperaturen unter Null Grad und großer Höhe ausgesetzt waren. Auch auf chinesischer Seite sollen Soldaten gestorben sein, twitterte der Chefredakteur der staatlichen chinesischen »Global Times«, offiziell bestätigt wurde dies aber nicht. Indische Medien spekulieren von bis zu 43 toten chinesischen Soldaten. 20 indische Soldaten sollen darüber hinaus gefangen genommen worden sein.

Seit April hatte sich die Situation in Ladakh im westlichen Himalaya aufgeschaukelt. Beide Seiten ließen Truppen in das umstrittene Grenzgebiet senden, wo es keine demarkierte Grenze zwischen den beiden asiatischen Atommächten gibt. Indische Medien berichteten unter Berufung auf Militärquellen, chinesische Soldaten hätten Geländegewinne von bis zu 60 Quadratkilometern erzielt. Aus Peking hieß es, China bewahre nur seine Souveränität im Himalaya.

Als es Anfang Mai zu Zusammenstößen kam, bei denen die Soldaten aufeinander einschlugen, wurde in Delhi und Peking auf Deeskalation gesetzt. Gespräche zwischen hohen Offizieren seit Juni erzielten einige Übereinkünfte, darunter auch, dass sich die chinesischen Truppen zurückziehen. Doch all dies steht nach der gewaltsamen Eskalation im Galwan-Tal nun in Frage, auch wenn sowohl China als auch Indien am Mittwoch erneut betonten, den Konflikt friedlich lösen zu wollen.

Nach sechs Jahrzehnten gegenseitiger Gebietsansprüche ist das Misstrauen groß entlang der Grenze, die, »Line of Actual Control« genannt, eher die Einflusszonen absteckt als eine Übereinkunft ist - und die auch ein Überbleibsel der britischen Kolonialherrschaft in Indien ist. Beim Abzug der Briten hinterließen sie ein Vakuum mit ungeklärten Grenzen. 1962 führten Indien und China einen kurzen Krieg im Himalaya. Auch 2017 kam es zu einer 73-tägigen Krise, bei der sich Truppen in Doklam am Dreiländereck China, Indien und Bhutan konfrontierten. Danach einigten sich Chinas Präsident Xi Jinping und Indiens Premierminister Narendra Modi darauf, gegensätzliche Positionen zu Handel und Politik nicht in Auseinandersetzungen eskalieren zu lassen. Probleme sollten durch Gespräche gelöst werden, um dazu beizutragen, Frieden in die Grenzregionen zu bringen.

Am Dienstag erhob China schwere Vorwürfe gegen Indien. Das Außenministerium bezichtigte Delhi, die gemeinsamen Vereinbarungen verletzt zu haben: Indische Soldaten hätten die Grenze zweimal illegal überschritten und chinesische Einheiten aktiv angegriffen. Die toten Soldaten sollen laut lokaler Medien in Faustkämpfen mit Stöcken und Steinen umgekommen sein; Schusswaffen sollen nicht eingesetzt worden sein.

Für B.R. Deepak, Professor für Chinesisch und China-Studien an der Jawaharlal Nehru University in Delhi, muss beim Betrachten der Beziehungen zwischen China und Indien auch immer die USA miteinbezogen werden. Im gegenwärtigen Kalten Krieg zwischen Peking und Washington suche Delhi verstärkt die Nähe zu den USA, wird Deprak in der in Hongkong erscheinenden »South China Morning Post« zitiert.

Erst Anfang des Monats hat Indien, besorgt um die wachsende Seemacht Chinas im Indischen Ozean, ein Marineabkommen mit Australien geschlossen, das mit den USA und Japan jährlich Marinemanöver im Pazifik abhält. Dazu hat Delhi laut indischen Medien auch Russland über die Grenzsituation informiert. Indien sucht offensichtlich globale Unterstützung und will diplomatischen Druck auf China aufbauen. Aus China kam prompt die Replik, Delhi solle nicht den Fehler begehen, sich zu einem »Diener Washingtons« zu machen.

Im vergangenen Monat warfen die USA Peking vor zu versuchen, den Status quo zu verändern, und forderte Indien auf, »der chinesischen Aggression zu widerstehen«. US-Präsident Donald Trump bot an, im schwelenden Grenzstreit zu vermitteln. Sowohl Indien als auch China lehnten aber ab.

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