nd-aktuell.de / 26.06.2020 / Brandenburg / Seite 8

Keine Spaltung der Mitarbeiter

Gewerkschaft will Rückkehr nicht nur des Bergmann-Klinikums Potsdam in den Tarifvertrag

Wilfried Neiße

Am 6. Juni hat die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung beschlossen, mit ihrem städtischen Klinikum »Ernst von Bergmann« wieder in die Tarifgemeinschaft zurückzukehren, das heißt, Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband zu werden. Am Mittwoch übergab eine von der Gewerkschaft Verdi angeführte Delegation der Mitarbeiter eine Petition an den Hauptausschuss der Stadtverordnetenversammlung und Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD).

Den geltenden Coronaregeln gemäß trat die Gruppe mit Mundschutz im Tagungsort »Treffpunkt Freizeit« auf, dem einstigen Pionierhaus der Stadt. In der Petition werden die Kommunalpolitiker aufgefordert, bei der Umsetzung des Beschlusses Druck zu machen und vor allem die fünf Tochtergesellschaften in die Tarifbindung einzubeziehen. Über 1000 Beschäftigten des Bergmann-Klinikums und der Tochtergesellschaften hatten die Petition unterschrieben. Wie Verdi-Gewerkschaftssekretär Torsten Schulze betonte, wurde darin außerdem gefordert, im Zweifelsfall gegenüber den Geschäftsführungen eine entsprechende Weisung auszusprechen.

Der Rückkehrbeschluss werde von den Beschäftigten als ein »deutliches Zeichen« dafür gewürdigt, dass sich die Potsdamer Stadtpolitik ihrer Verantwortung für das Klinikum und seine Beschäftigten stelle. Bisher sei aber lediglich für das Klinikum »Ernst von Bergmann« und die EvB Diagnostik GmbH die Rückkehr in den kommunalen Arbeitgeberverband eingeleitet, so Schulz. Nicht klar bezogen sei dieser Schritt auf die Servicegesellschaft, die Catering GmbH, die Sozial gGmbH, das Klinikum Westbrandenburg GmbH und für die Poliklinik GmbH, immerhin rund 700 Beschäftigte. »Im Bereich von Service und Catering geht es um Leistungen, die für die Patienten der Klinik zwingend erforderlich sind. Auch in der Service- und Catering-Gesellschaft ist eine Bezahlung nach TVöD möglich und umsetzbar.« Der TVöD ist der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst.

Oberbürgermeister Schubert verwies darauf, dass derlei Einzelfragen nicht Sache der Stadtpolitik seien, sondern »auf die Ebene der Tarifparteien« gehörten. Die Stadt habe mit ihrem Grundsatzbeschluss die Weichen gestellt.

Vertreter der Stadt gaben zu bedenken, dass die wenigsten Beschäftigten des Klinikums Mitglieder der Gewerkschaft seien und daher ein Tarifvertrag formal nur für zehn oder 20 Prozent der Belegschaft Gültigkeit besitze. In allen übrigen Fällen müsste im jeweiligen Arbeitsvertrag eine gesonderte Regelung aufgenommen werden. Es sei aber an alle zuständigen Geschäftsführungen die Empfehlung ergangen, den Tarifvertrag auf alle Mitarbeiter anzuwenden.

Vorgesehen ist, den Tarifvertrag rückwirkend vom 1. Juni an für gültig zu erklären. Damit können die Beschäftigten nach 15 Jahren wieder mit einer Tarifbezahlung rechnen. Die Linke habe sich schon immer für die Wiedereinführung des Tariflohns eingesetzt, erklärte Fraktionschef Stefan Wollenberg. Der überfällige Schritt sei daher nicht allein auf Corona zurückzuführen.

Überregional in die Schlagzeilen geraten war das Klinikum mit einer ungewöhnlich hohen Zahl von Corona-Opfern sowie Infizierten unter Patienten und auch Mitarbeitern. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen leitende Mitarbeiter aufgenommen. Zuvor hatte die Stadt Potsdam Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen drei Ärzte und die Klinikleitung eingeleitet und die Justizbehörde um Klärung gebeten.

Kürzlich hatte die Stadtparlament beschlossen, jedem Beschäftigten des kommunalen Klinikums wegen der Sonderbelastung in der Coronakrise eine Prämie von 500 Euro zu gewähren. Oberbürgermeister Schubert hatte sich in den Verhandlungen am Mittwoch dafür ausgesprochen, dass das Land allen im Gesundheitswesen Beschäftigten, also auch in konfessionellen Kliniken, einen Bonus bezahlt. Ausdrücklich dankte Schubert auch deren Mitarbeitern, hätten sie doch »während der Krise ganz besondere Belastungen schultern müssen«. Dass die Stadt Potsdam den kirchlichen Kliniken keine analoge Prämienzahlung zukommen lassen könne, liege daran, dass sie nicht Gesellschafter sei, hieß es aus der Verwaltung. Eine von Schubert vorgeschlagene Gutscheinlösung war jedoch bei den Mitarbeitern der christlichen Kliniken auf Unverständnis gestoßen. Deren Wunsch sei es, »dass der Oberbürgermeister sich beim Land für eine rechtskonforme Lösung in Form einer Barauszahlung stark macht«, teilte die Stadt mit.